Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. ablehnende Entscheidung durch Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. statthafter Rechtsbehelf. Erinnerung. Berücksichtigung gewerkschaftlichen Rechtsschutzes als Vermögen auch bei nachträglicher Rechtsschutzablehnung der Gewerkschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Erinnerung ist der statthafte Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gemäß § 73a Abs 8 SGG.

2. Die nachträgliche Rechtsschutzablehnung einer Gewerkschaft wegen bereits in Anspruch genommener anwaltlicher Vertretung hindert nicht die Berücksichtigung des grundsätzlich bestehenden satzungsmäßigen Anspruchs auf kostenlosen Rechtsschutz durch die Gewerkschaft als Vermögen iS von § 115 Abs 3 S 1 ZPO.

 

Tenor

Die Erinnerung des Antragstellers gegen den Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Erinnerungsführer (im Weiteren: Antragsteller) wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2012 hat das Jobcenter Dessau-Roßlau den Antragsteller im Wege der Erbenhaftung für gegenüber seinem Vater erbrachte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 20. November 2013 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die dagegen gerichtete Klage des Antragstellers überwiegend abgewiesen (S 14 AS 312/12).

Am 7. Januar 2014 hat der Antragsteller dagegen Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt (L 4 AS 14/14). Dieses Verfahren ist mittlerweile durch die Annahme des vom Jobcenter Dessau-Roßlau abgegebenen Anerkenntnisses beendet worden.

Am 30. Mai 2014 hat der Antragsteller für das Berufungsverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin H. beantragt. Mit Beschluss des Senats vom 25. August 2014 ist die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für den Prozesskostenhilfeantrag auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des LSG übertragen worden.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2014 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er Mitglied einer Gewerkschaft sei und diese seine rechtliche Vertretung prüfe. Am 15. Oktober 2014 hat die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gegenüber dem Kläger Rechtsschutz für das Berufungsverfahren abgelehnt, da dieser nicht vor Einleitung des Berufungsverfahrens beim zuständigen Bezirk beantragt worden sei. Eine nachträgliche Rechtsschutzgewährung für bereits anhängige Verfahren oder bereits in Anspruch genommene anwaltliche Tätigkeit sei grundsätzlich ausgeschlossen. Da er im Berufungsverfahren bereits anwaltlich vertreten werde, sei eine nachträgliche Rechtsschutzgewährung nicht möglich. Das Schreiben hat der Kläger zu den Akten gereicht.

Mit Beschluss vom 15. September 2014 hat der Senat durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt. Der Antragsteller habe seinen Anspruch auf gewerkschaftlichen Rechtsschutz nicht wahrgenommen. Dieser Anspruch stelle ein vermögenswertes Recht im Sinne des § 115 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) dar. Dem Antragsteller sei es zumutbar gewesen, den ihm zum Zeitpunkt der Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags (noch) zustehenden kostenlosen gewerkschaftlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Gegen den Beschluss könne innerhalb eines Monats das Gericht angerufen werden, welches endgültig entscheide.

Am Montag, den 19. Januar 2015, hat der Antragsteller gegen den ihm am 18. Dezember 2014 zugestellten Beschluss "den Rechtsbehelf nach § 73a Abs. 8 Sozialgerichtsgesetz (SGG)" eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, er sei irrig davon ausgegangen, dass die IG BCE lediglich in Rechtsstreitigkeiten des Arbeitsrechts Rechtsschutz übernehme. Sie habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass sie auch für sozialrechtliche Streitigkeiten Rechtsschutz übernehme. Daher habe er von Anfang an anwaltlichen Beistand gesucht. Die IG BCE habe mit Schreiben vom 15. Oktober 2014 nachträglichen Rechtsschutz versagt. Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass sie auch eine anfängliche Übernahme des Mandats abgelehnt hätte.

II.

Die Erinnerung hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt. Die Erinnerungsfrist von einem Monat gemäß § 73a Abs. 8 SGG ist gewahrt. Die gegen den am 18. Dezember 2014 zugestellten Beschluss am Montag, den 19. Januar 2015, eingelegte Erinnerung ist gemäß § 64 Abs. 1, 3 SGG fristgerecht.

Sie ist auch statthaft. Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist gemäß § 73a Abs. 8 SGG allein die Erinnerung der statthafte Rechtsbehelf (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 5. Juli 2018, L 11 AS 535/18 B PKH, juris Rn. 6).

Die Erinnerung ist jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen.

Zwar hätte die Urkundsbe...

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