Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Anordnung. Beschwerde. Wert des Beschwerdegegenstands. Berufung. Nichtzulassungsbeschwerde. Intertemporales Prozessrecht. Gebot der Rechtsmittelklarheit. Antragserweiterung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat das Sozialgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Beschluss erst nach dem 01.04.2008 zugestellt, richtet sich die Möglichkeit einer Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG.

2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist eine Beschwerde nur statthaft, wenn in der Hauptsache die Berufung kraft Gesetzes – also ohne Zulassung – zulässig wäre.

3. Maßgeblich für den Wert des Beschwerdegegenstands ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels. Durch eine Antragserweiterung im Beschwerdeverfahren kann er nicht erhöht werden.

 

Normenkette

SGG §§ 96, 144-145, 172 Abs. 3 Nr. 1; ZPO § 4; GG Art. 19 Abs. 4

 

Tenor

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU).

Der am geborene Kläger bewohnt mit seiner Ehefrau seit dem 1. März 2003 eine 70,4 qm große Wohnung in Dessau-Roßlau. Ab 1. Januar 2008 hat er eine Gesamtmiete i.H.v. monatlich 532,69 EUR (Nettokaltmiete: 323,84 EUR, Betriebskosten: 67,50 EUR, Kabelgebühren: 8,35 EUR, Heizung: 81,00 EUR und Wasser: ab 15. April 2008 52,00 EUR) für diese Wohnung zu zahlen. Er bezieht zusammen mit seiner Ehefrau von der Antragsgegnerin seit 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Zwischen den Beteiligten war die Höhe der angemessenen KdU bereits in frühren Verfahren Streitgegenstand. So hatte der 2. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (LSG) mit Beschluss vom 12. April 2006 (L 2 87/05 AS ER) die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, beim Antragsteller für die Zahlung von Arbeitslosengeld II von November bis Dezember 2005 angemessene KdU i.H.v. 427,15 EUR monatlich und für die Zeit von Januar bis April 2006 i.H.v. 434,53 EUR monatlich zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2007 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller und seiner Ehefrau Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2007 bis 30. April 2008 unter Berücksichtigung monatlicher KdU i.H.v. 434,53 EUR. Sie kündigte an, die KdU ab 1. Mai 2008 auf den ihrer Ansicht nach angemessenen Betrag i.H.v. 381,00 EUR monatlich zu kürzen. Mit weiterem Bescheid vom 14. April 2008 bewilligte sie vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung monatlicher Unterkunftskosten i.H.v. 381,00 EUR.

Am 17. März 2008 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2008 hat er beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, ab dem 1. Mai 2008 vorläufig und bis zur Bestandskraft der Bescheide - längstens für sechs Monate - Kosten der Unterkunft in Höhe der im Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 12. April 2006 festgestellten 434,53 EUR monatlich weiter zu gewähren. Durch die von der Antragsgegnerin angekündigte Kürzung der KdU um 53,53 EUR monatlich würden seine Ehefrau und er Nachteile erleiden, die es ihnen unzumutbar machten, ein Hauptsacheverfahren abzuwarten. In der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2008 hat der Antragsteller zusätzlich darauf hingewiesen, dass es ihm um die Rechtssicherheit gehe. Die Entscheidung des LSG aus dem Jahr 2006 könne nicht mehr neu geprüft werden. Insoweit liege "innere materielle Rechtskraft" nach den §§ 319, 322 bis 327 Zivilprozessordnung (ZPO) vor.

Das SG hat mit Beschluss vom 6. Mai 2008 den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die seitens der Antragsgegnerin vorgenommene Kürzung der KdU auf 381,00 EUR ab 1. Mai 2008 sei rechtmäßig. Die Wohnung des Antragstellers sei unangemessen groß. Unter Berücksichtigung einer angemessen Wohnungsgröße für zwei Personen von 60 qm, einer Nettokaltmiete i.H.v. 5,30 EUR/qm und Heizkosten ohne Warmwasser i.H.v. 1,05 EUR/qm ergebe sich der von der Antragsgegnerin nach den Unterkunftsrichtlinien festgelegte Betrag. Das SG hat zudem im Beschluss darauf hingewiesen, dass eine Beschwerde gegen diesen Beschluss nicht statthaft sei, da der Beschwerdewert bei ca. 318,00 EUR und damit unter der Beschwerdegrenze des § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 1. April 2008 gültigen Fassung liege.

Gegen den ihm am 16. Mai 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 21. Mai 2008 Beschwerde eingelegt. Das SG hätte nicht von der Regelung des Beschlusses des LSG vom 12. April 2006 abweichen dürfen. Es gelte insoweit die "innere materielle Rechtskraft (§§ 322 - 327 ZPO)". Ferner habe das SG Verfahren fehlerhaft geführt. So sei am 6. Mai 2008 sowohl ein Termin zur mündlichen Ve...

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