Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Beschwerde. Wert des Beschwerdegegenstands. Intertemporales Prozessrecht. Rechtsmittelklarheit. Streitgegenstand. Kostenentscheidung
Orientierungssatz
Der mit der Anhebung des Schwellenwertes auf 750.- €. verbundene Entlastungseffekt bei der Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutz wird nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit der Beschwerde ohne Weiteres aus dem Beschwerdewert ergibt. Im Rechtsmittelrecht gilt das Gebot der Rechtsmittelklarheit. Deshalb hätte die Zulässigkeit in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 172 SGG zum 1. 4. 2008 einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Diese ist aber nicht erfolgt.
Normenkette
SGG §§ 96, 144, 172 Abs. 3 Nr. 1, § 193; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. April 2008 ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern die ihnen entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehrten in einem inzwischen abgeschlossenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin eine Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft. Die Antragstellerin zu 1. bewohnt zusammen mit ihrem Ehemann, dem Antragsteller zu 2., und ihren Kindern, den Antragstellern zu 3. und 4., eine 68 m² große Drei-Zimmerwohnung im , 2. Etage rechts, in C ... Sie beziehen von der Antragsgegnerin laufend Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Mit Bescheid vom 30. Januar 2008 bewilligte ihnen die Antragsgegnerin laufende Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Mai 2008, wobei sie ab Februar 2008 monatliche Kosten für die Unterkunft und Heizung (KdU) i.H.v. 349,72 EUR zahlte. Am 28. Februar 2008 beantragten die Antragsteller die Zustimmung zu einem Umzug in die , 5. Etage links, in C ... Die bisherige Wohnung sei nach der Geburt der Antragstellerin zu 4. am 2. Mai 2007 zu klein geworden. Nach einem von ihnen eingereichten Wohnungsangebot sollte die Miete für die neue Wohnung monatlich insgesamt 430,94 EUR betragen. Mit Bescheid vom 3. März 2008 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag mit der Begründung ab, der Umzug sei nicht erforderlich; es müsse nicht jedes Kind über ein eigenes Zimmer verfügen. Den hiergegen am 10. März 2008 eingelegten Widerspruch begründeten die Antragsteller damit, dass der bisherige Wohnraum insgesamt zu klein sei, um beiden Kindern eine angemessene Sozialisierung zu ermöglichen. Am 13. März 2008 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt mit dem Begehren, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen eine Zusicherung für die Aufwendungen für die neue Wohnung zu erteilen. Das SG hat mit Beschluss vom 8. April 2008 dem Antrag stattgegeben und die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern eine Zusicherung zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft im , 5. Etage links, 06869 C. (A. ) i.H.v. 412,28 EUR zu erteilen. Gegen den ihr am 15. April 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 30. April 2008 Beschwerde eingelegt. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass der Wohnbedarf der beiden Kinder in der jetzigen Wohnung zum derzeitigen Zeitpunkt durchaus gedeckt sei.
Unter dem 11. Juni 2008 haben die Antragsteller mitgeteilt, der Vermieter der neuen Unterkunft wolle diese nun doch nicht an sie (die Antragsteller) vermieten. Sie haben den Rechtsstreit deswegen für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin hat das Verfahren ebenfalls für erledigt erklärt und beantragt, die Kosten zu teilen. Auf den Hinweis des Senats, dass die Beschwerde wohl nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wegen Nichterreichens des Berufungsstreitwerts unzulässig sei, hat sie erwidert, § 96 SGG sei im vorliegenden Fall analog anzuwenden. Die künstliche Aufspaltung in Bewilligungsabschnitte führe zu keinem effektiven Rechtsschutz. Eine Beschwerdeinstanz würde ihr entzogen, was wegen der Vorwegnahme der Hauptsache in Fällen wie diesen bedenklich sei. Zudem seien beim Streitwert noch die Kosten einer Erstausstattung für ein neues Kinderzimmer zu berücksichtigen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin (Bl. 247 - 270) sowie auf die Gerichtsakte ergänzend Bezug genommen.
II.
Im vorliegenden Verfahren war nur noch über die Kosten zu entscheiden, da die Antragsteller unter dem 11. Juni 2008 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgenommen haben. Die Beteiligten haben das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Die nunmehr zu treffende Kostenentscheidung bestimmt sich nach § 193 SGG. Dabei b...