Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches oder verwaltungsgerichtliches Verfahren. Rechtswegzuständigkeit. Mahnung und Festsetzung einer Mahngebühr im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende. noch keine Vollstreckungsmaßnahme
Leitsatz (amtlich)
Sowohl bei der Mahnung als auch der Festsetzung einer Mahngebühr handelt es sich um eine Angelegenheit, die in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem SGB II steht. Sie sind keine Vollstreckungsmaßnahmen.
Tenor
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Juni 2021 aufgehoben. Das Verfahren ist weiterhin beim Sozialgericht Halle anhängig.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beklagter) wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Halle, mit dem dieses den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht Halle für zulässig erklärt hat. In der Sache ist noch die Festsetzung einer Mahngebühr durch den Beklagten im Zusammenhang mit der Erstattung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) streitig.
Der Beklagte ist ein zugelassener kommunaler Träger im Sinne von § 6a SGB II. Der 1997 geborene Kläger bezog von ihm Leistungen nach dem SGB II.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15. März 2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 10. Oktober 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2017 hob der Beklagte zuvor bewilligte Leistungen nach dem SGB II für den Monat März 2016 in Höhe von 367,79 € auf und forderte den Kläger zur Erstattung des Betrags auf. Der Kläger erhob dagegen keine Klage.
Mit Schreiben vom 9. November 2017 forderte der Beklagte den Kläger auf, die offene Erstattungsforderung von 367,79 € zu dem Kassenzeichen ALG-105568-17 bis zum 7. Dezember 2017 zu begleichen. Mit Mahnung vom 26. Januar 2018 erinnerte er den Kläger an die weiterhin offene Forderung von 367,79 € und setzte eine Mahngebühr von 10 € fest. Zugleich forderte er den Kläger auf, die weiteren offenen Erstattungsforderungen zu den Kassenzeichen ALG-101721-17 in Höhe von 28,79 € und M98P5290 in Höhe von 46,67 € (zugrundeliegende bestandskräftige Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 4. Januar 2017 und 23. März 2010) zu begleichen.
Den gegen das Mahnschreiben gerichteten Widerspruch des Klägers vom 6. Februar 2018 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2018 hinsichtlich der Festsetzung der Mahngebühr als unbegründet zurück und verwarf ihn im Übrigen als unzulässig: Die Festsetzung der Mahngebühr beruhe auf § 4 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (VwVG LSA) i. V. m. § 2 der Kostenordnung zum VwVG LSA . Die in der Mahnung enthaltene Zahlungsaufforderung stelle keinen Verwaltungsakt dar.
Dagegen hat der Kläger am 25. Juni 2018 Klage vor dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben und vorgetragen, er begehre eine Überprüfung der Ausgangsbescheide und berufe sich auf die Minderjährigenhaftungsbeschränkung. Er hat eine Erklärung zu seinen Vermögensverhältnissen zum Zeitpunkt der Volljährigkeit (6. Februar 2015) eingereicht. Die Forderungen seien für ihn nicht nachvollziehbar und niederzuschlagen. Auf mehrfache gerichtliche Hinweise hat der Kläger am 9. Februar 2021 klargestellt, er begehre nur noch die Aufhebung der Mahngebühr.
Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. Juni 2021 an das Verwaltungsgericht Halle verwiesen: Der grundsätzlich vorgesehene allgemeine Verwaltungsrechtsweg sei nicht durch § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Die Festsetzung von Mahngebühren sei eine Vollstreckungsmaßnahme und beruhe auf § 66 Abs. 3 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Verbindung mit den Vorschriften des VwVG LSA. Soweit sich der Kläger gegen die Modalitäten der Vollstreckung wende, sei der Bezug zur Sachmaterie, auf der die zu vollstreckende Forderung beruht, nicht eng genug, um eine Zuweisung zu den Sozialgerichten zu begründen. Die Vollstreckung von Geldforderungen und die Festsetzung von Mahngebühren weise keinen Bezug zum SGB II auf.
Gegen den ihm am 16. Juni 2021 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 8. Juli 2021 Beschwerde eingelegt: Bei der Mahnung vom 26. Januar 2018 habe es sich nicht um eine Vollstreckungshandlung, sondern erst um eine die Vollstreckung ermöglichende Maßnahme gehandelt. Die Festsetzung der Mahngebühr sei durch ihn als Vollstreckungsanordnungsbehörde erfolgt, weshalb der Sozialrechtsweg eröffnet sei.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Juni 2021 aufzuheben.
Der Kläger hat sich zum Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Gerichtsakte nebst Verwaltungsakte des Beklagten erg...