Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach Betriebsübergang
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist ein Anspruch eines Dritten gegen den Arbeitgeber und wird daher nicht von § 613a BGB erfasst.
2. Dieses Ergebnis ist auch nach der erforderlichen europarechtskonformen Auslegung von § 613a BGB nicht zu beanstanden.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Februar 2010 wird abgeändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. November 2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 26. Oktober 2009 wird ohne Stellung einer Sicherheitsleistung angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Der Streitwert wird auf 7 401,52 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragssteller (Ast) begehrt einstweiligen Rechtsschutz in einer Beitragsstreitigkeit.
Nach Ermittlungen des Hauptzollamtes M. bei der Firma Glas- und Gebäudereinigung S.L., L., und dabei gefundenen Hinweisen auf die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen führte die Antragsgegnerin (Ag) dort eine Betriebsprüfung durch. Dabei stellte sie fest, dass Beiträge für den Zeitraum vom 1. November 2003 bis zum 30. September 2007 nachzuerheben seien. Mit Schreiben vom 26. März 2009 hörte die Ag den Ast zur Nachforderung dieser Beiträge an. Er habe ab 1. November 2007 das Unternehmen von S.L. übernommen und sei aufgrund des Betriebsüberganges als neuer Inhaber für die Nachforderungen heranzuziehen. Mit Bescheid vom 16. Juli 2009 forderte die Ag vom Ast gesamtschuldnerisch (neben S.L.) 7 401,52 EUR (Beiträge und Säumniszuschläge in Höhe von 1 614,00 EUR nach § 24 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV)). Gegen den Bescheid erhob der Ast am 1. August 2009 Widerspruch und legte zur Begründung u. a. einen zwischen S.L. und ihm am 26. Oktober 2007 geschlossen Vertrag über den Verkauf des Unternehmens Gebäudereinigung L. vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2009 wies die Ag den Widerspruch zurück.
Am 11. November 2009 hat der Ast Klage bei dem Sozialgericht Halle (SG) erhoben (S 4 R 984/09) und am 18. Januar 2010 einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 11. November 2009 gestellt. Mit Beschluss vom 8. Februar 2010 hat das SG dem Antrag gegen Stellung einer Sicherheitsleistung stattgegeben. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, bei der nach § 86 b Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durchzuführenden summarischen Prüfung sei nicht mit Sicherheit festzustellen, ob der Beitragsbescheid vom 16. Juli 2009 rechtmäßig sei. Grundsätzlich dürften die Beitragsansprüche durch den Betriebsübergang am 1. November 2007 auf den Ast als neuen Arbeitgeber übergegangen sein. Dies ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 613 a Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Höhe der übergegangenen Beitragsansprüche lasse sich anhand der vorliegenden Unterlagen nicht mit Sicherheit feststellen, so dass es Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 16. Juli 2009 gebe. Hierzu müssten im Hauptsacheverfahren weitere Ermittlungen angestellt werden. Zur Sicherung der Beitragsansprüche sei die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 86 b Abs. 1 Satz 3 SGG erforderlich, da der Antragsteller seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bereits beantragt worden sei.
Gegen den ihm am 8. Februar 2010 zugestellten Beschluss hat der Ast am 11. Februar 2010 Beschwerde bei dem SG Halle erhoben. Es existiere keine Rechtsvorschrift, aus der sich seine Zahlungsverpflichtung für die Beitragsforderungen gegen die ehemalige Inhaberin S.L. ergebe. § 25 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) betreffe allein die Haftung für zivilrechtliche Ansprüche. Bei Sozialversicherungsbeiträgen handele es sich hingegen nicht um Geschäftsverbindlichkeiten (unter Verweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. August 2008, Az: L 4 R 366/07). § 25 HGB sei ohnehin nur unter Kaufleuten anwendbar. § 75 der Abgabenordnung (AO) sei für Sozialversicherungsbeiträge ebenfalls nicht anwendbar.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Februar 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. November 2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2009 ohne Sicherheitsleistung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Februar 2010 zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Forderungsübergang ergebe sich aus § 613 a BGB. Dafür spreche, dass der Erwerber in alle Rechte und Pflichten eintrete. Durch den Betriebsübergang werde das Arbeitsverhältnis nicht angetastet und selbst Zeiten der Betriebszugehörigkeit gingen nicht verloren. Dies habe auch ein Landessozialgericht so entschieden (unter Verweis auf Bayerisches LSG, Urteil vom 31. Juli 2007, Az: L 5 KR 193/06). Ein...