Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Berücksichtigung einer Erbschaft als Einnahme. Anforderung an die Einordnung einer Erbschaft als zweckbestimmte Einnahme
Orientierungssatz
1. Eine Erbschaft oder vergleichbare Rechtsposition in Form eines Geldbetrages, die einem Empfänger von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende während der Dauer eines Leistungsbezugs zugeflossen ist, wird erst in dem Bewilligungszeitraum als Einkommen berücksichtigt, in dem sie ihm tatsächlich ausgezahlt wurde und damit zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung stand.
2. Solange eine Erbschaft oder ein Vermächtnis nicht auf privatrechtlicher Grundlage objektiv erkennbar für einen bestimmten Zweck verwendet werden muss, stellen sie keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB 2 dar.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Mai 2011 wird aufgehoben. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Aufhebungsbescheid des Antragsgegners vom 23. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2011 wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das ihn im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet hat, an den Antragsteller vorläufig ab 1. April 2011 die mit Bescheid vom 16. März 2011 bewilligten Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) zu zahlen.
Der am ... 1959 geborene, alleinstehende Antragsteller bezieht vom Antragsgegner seit 2008 laufend Grundsicherungsleistungen. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 bewilligte er ihm Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2011. Die Bewilligung änderte er in der Folgezeit durch Änderungsbescheide vom 16. und 26. März 2011 zugunsten des Antragstellers ab. Für den hier streitgegenständlichen Zeitraum ab April 2011 bewilligte er Leistungen in Höhe vom 683,88 EUR für April 2011 und 677,41 EUR/Monat ab Mai 2011.
Durch eine anonyme Anzeige erlangte der Antragsgegner davon Kenntnis, der Antragsteller habe von seinem Vater 10.000,00 EUR überwiesen bekommen und sich hiervon ein Auto für 3.000,00 EUR gekauft. Der Antragsgegner lud ihn daraufhin zu einer persönlichen Vorsprache am 22. März 2011 ein. Aus den vom Antragsteller zu diesem Termin mitgebrachten Kontoauszügen ergab sich, dass ihm am 16. Februar 2011 ein Betrag in Höhe von 10.000 EUR überwiesen worden ist. Ausweislich des ebenfalls beigebrachten Kaufvertrages hatte der Antragsteller am 21. Februar 2011 einen gebrauchten PKW für 2.998 EUR erworben.
Unter dem 23. März 2011 sandte der Antragsgegner dem Antragsteller einen Bescheid zu, in dem es wörtlich heißt:
"Betreff: Aufhebung des Bescheides vom 21.12.2010 über die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) "Sehr geehrter Herr Pf ..., die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II wird ab 01.04.2011 ganz aufgehoben.
Begründung:
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den zum Zeitpunkt seines Erlasses vorliegenden tatsächlichen rechtlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten ist, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Sie haben am 16.02.2011 Einkommen in Höhe von 10.000,00 EUR erzielt. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sind Sie nicht hilfebedürftig im Sinne § 9 SGB II, so dass der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis 12.03.2012 entfällt." Es folgt die Rechtsbehelfsbelehrung.
Den gegen diesen Bescheid mit der Begründung eingelegten Widerspruch, es handele sich bei den 10.000,00 EUR bis auf 250,00 EUR um Schonvermögen, wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 11. April 2011 als unbegründet zurück. In diesem heißt es u.a.:
" Mit Bescheid vom 13.01.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 16.03.2011 und 26.03.2011 bewilligte der Widerspruchsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011. Unter dem 23.03 2011 hob der Widerspruchsgegner die oben benannte Bewilligungsentscheidung mit Wirkung zum 01.04.2011 auf. "
Es folgt die Begründung der Entscheidung. Dagegen hat der Antragsteller beim Sozialgericht am 14. April 2011 Klage erhoben (S 10 AS 1356/11).
Bereits am 4. April 2011 hat er beim Sozialgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht mit dem Begehren, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 31. März 2011 anzuordnen, hilfsweise ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II zur Aufrechterhaltung des Kranken- und Pflegeversicherungsschutzes zu bewilligen. Der Betrag von 10.000,00 EUR stamme aus einer Erbschaft nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 2010. Es liege mithin Vermögen vor, da die Mutter bereits vor Antragstellung verstorben sei. Nach...