Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Berufung. Nichtvorliegen des Verfahrensmangels der Divergenz. Erstattung von Vorverfahrenskosten. Kausalität zwischen Widerspruch und Erfolg. Abhilfeentscheidung aufgrund Änderung der Sachlage und Nachreichung von Unterlagen

 

Leitsatz (amtlich)

Von der grundsätzlich gebotenen pauschalen Betrachtung bei Anwendung der Kostenerstattungsregel des § 63 Abs 1 S 1 SGB X, die in zwei Entscheidungen des BSG (vgl Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 68/12 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 20 und Urteil vom 21.7.1992 - 4 RA 20/91 = SozR 3-1300 § 63 Nr 3) betont wird, ist eine Ausnahme zu machen, wenn der Erfolg nicht auf der Erhebung des Widerspruchs beruht. Die genannten BSG-Entscheidungen widersprechen einander nicht. Das Urteil vom 12.6.2013 enthält keinen tragenden Rechtssatz zur Kausalität von Widerspruch und Erfolg, denn es betraf nach positiver Kostengrundentscheidung nur die Bildung einer Kostenquote.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 5. November 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG) und die Durchführung des Berufungsverfahrens.

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren durch die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten streitig. Die Klägerin stellte bereits im November 2011 einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. November 2011 wegen übersteigenden Vermögens ab. Daraufhin stellte sie - mit Wirkung ab dem 1. Februar 2012 - erneut einen Leistungsantrag. Sie beziehe Arbeitslosengeld I in Höhe von 597,30 EUR monatlich. Sie verfüge nicht mehr über Vermögen und bewohne allein ein Einfamilienhaus.

Mit Bescheid vom 2. März 2012 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag erneut ab. Auch ab Februar 2012 bestehe keine Hilfebedürftigkeit, da das bereinigte Einkommen von 547,88 EUR (nach Abzug der Versicherungspauschale und der monatlichen Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung) den Bedarf in Höhe von 511,56 EUR übersteige. Der Bedarf setze sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von 374,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von insgesamt 137,56 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte der Beklagte monatliche Zinsen für ein Immobiliendarlehen in Höhe von 31,33 EUR, die Heizkostenvorauszahlung in der belegten Höhe von 50,00 EUR sowie monatlich ein Zwölftel der jährlichen Betriebskosten des Eigenheims von 56,23 EUR.

Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein, den sie mit Schriftsatz vom 20. April 2014 begründete: Die Nebenkosten seien fehlerhaft berechnet, denn sie seien im Monat der Fälligkeit der jeweiligen Aufwendung zu berücksichtigen. Die vorgenommene Zwölftelung der Jahreskosten widerspreche dem Bedarfsdeckungsprinzip. Zudem legte sie die Jahresabrechnung ihres Gasversorgers vom 8. April 2012 für das Jahr 2011 vor. Danach waren im April 2012 eine Zahlung in Höhe von 135,13 EUR und ab Mai 2012 monatliche Vorauszahlungen in Höhe von 153,00 EUR zu leisten. Sie sei jedenfalls ab April 2012 hilfebedürftig.

Unter Einbeziehung der geänderten Aufwendungen für die Heizkosten bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 2012 für die Monate April bis Juni 2012 SGB II-Leistungen in Höhe von 13,09 EUR bzw. 30,35 EUR monatlich. Im Begleitschreiben vom selben Tag führte er aus, dem Widerspruch habe im vollen Umfang entsprochen werden können. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen könnten jedoch nicht erstattet werden, weil die entscheidungserheblichen Tatsachen von der Klägerin erst im Widerspruchsverfahren vorgetragen worden seien.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 beantragte die Klägerin, die notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erstatten und die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären. Dies legte der Beklagte als Widerspruch gegen die Kostenentscheidung aus, den er mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2012 zurückwies. Die Aufwendungen für das Vorverfahren seien nicht zu erstatten.

Dagegen hat die Klägerin fristgerecht beim SG Klage erhoben und ausgeführt, der Beklagte müsse die Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren erstatten, denn er habe dem Widerspruch abgeholfen und nunmehr die monatlich tatsächlich anfallenden Aufwendungen für die KdU berücksichtigt. Der Ausgangsbescheid sei rechtswidrig gewesen, denn die Klägerin sei ab April 2012 hilfebedürftig.

Das SG hat auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Oktober 1987 (Az.: 12 RK 49/86, juris) und vom 12. Juni 2013 (Az.: B 14 AS 68/12 R, juris) hingewiesen. Es hat einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben.

Mit Urteil vom 5. November 2014 hat das ...

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