Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Nichterscheinen eines Zeugen. Abgabe von relevanten Unterlagen als Entschuldigungsgrund für das Nichterscheinen. Zulässigkeit der Verhängung eines Ordnungsgeldes bei Erledigung der Streitsache durch gerichtlichen Vergleich

 

Orientierungssatz

1. Allein der Umstand, dass ein Zeuge Unterlagen, die für den Prozess relevant sein können, kurzfristig dem Gericht zur Verfügung gestellt hat (hier: Behandlungsunterlagen), entbindet ihn nicht von der Pflicht zum Erscheinen in der mündlichen Verhandlung gemäß einer entsprechenden gerichtlichen Ladung. Soweit der Zeuge sein Erscheinen für entbehrlich hält, obliegt es ihm nachzufragen, ob das Gericht dennoch an der Ladung festhält.

2. Auch wenn ein sozialgerichtliches Verfahren durch einen in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleich endet, ist das Gericht nicht von der Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen nicht erschienenen Zeugen abgehalten. Dabei bedarf auch in einem solchen Fall die Festsetzung eines Ordnungsgeldes im unteren Bereich des gesetzlichen Rahmens (hier: 200 Euro) keiner besonderen Begründung.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgelds wegen ihres Nichterscheinens als Zeugin vor dem Sozialgericht Halle (SG).

In dem vor dem SG geführten Klageverfahren S 6 AS 3902/08 stritten die Beteiligten über die Verpflichtung des Grundsicherungsträgers, der Klägerin Leistungen nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Höhe des Saldos aus einer Betriebskostenabrechnung zu erbringen. In diesem Zusammenhang hielt der zuständige Kammervorsitzende beim SG es für klärungsbedürftig, ob die Klägerin aus medizinischen Gründen (wegen eingeschränkter Gehfähigkeit) in ihre neue Wohnung umgezogen war. Die Klägerin legte dazu Bescheinigungen der Beschwerdeführerin vor, bei der sie sich in hausärztlicher Betreuung befand. Nach Einholung einer Entbindung der Beschwerdeführerin von der ärztlichen Schweigepflicht durch die Klägerin forderte das Gericht die Beschwerdeführerin erstmalig mit Schreiben vom 24. Februar 2009 auf, die die Klägerin betreffenden Behandlungsunterlagen zu übersenden. Hierauf reagierte die Beschwerdeführerin trotz mehrfacher Erinnerungen und auch nach Einschaltung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, die die Beschwerdeführerin zur Erfüllung ihrer berufsrechtlichen Pflichten aufforderte, nicht.

Mit einem Schreiben vom 8. Juni 2010 erfolgte die Ladung der Beschwerdeführerin als Zeugin zu einem Termin zur Beweisaufnahme am 8. Juli 2010 um 12.30 Uhr in den Sitzungssaal 3.025 im Justizzentrum Halle in der Thüringer Strasse 6. Die Ladung war unter anderem mit dem Hinweis verbunden, einem Zeugen, der ohne genügende Entschuldigung nicht erscheine, würden die durch sein Ausbleiben entstandenen Kosten auferlegt und zugleich werde gegen ihn ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft bis zu sechs Wochen festgesetzt. Als Beweisthema war "Gehfähigkeit der Klägerin" angegeben. Außerdem enthielt das Ladungsschreiben den Zusatz: "Die gesamten Krankenunterlagen der Klägerin sind im Termin mitzubringen. Falls Sie diese zuvor übersenden, kann dieser ggf. entfallen!". Ausweislich der in den Gerichtsakten abgehefteten Postzustellungsurkunde erfolgte die Zustellung der Ladung der Beschwerdeführerin am 11. Juni 2010 durch Einlegung in den Briefkasten der Praxis der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin erschien nicht zu dem Termin am 8. Juli 2010; auch Behandlungsunterlagen lagen nach dem Inhalt des Protokolls im Termin nicht vor. Der Rechtsstreit endete durch einen in dem Termin am 8. Juli 2010 zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich. Hinter der Sitzungsniederschrift befinden sich dann in der Gerichtsakte mehrere Blätter mit einem ärztlichen Bericht und Kopien von Befundunterlagen der Beschwerdeführerin über die Klägerin. Auf den Unterlagen befindet sich der gerichtliche Eingangsstempel vom 8. Juli 2010.

Mit einem Beschluss vom 8. Juli 2010 setzte der Kammervorsitzende gegen die Beschwerdeführerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,00 EUR und für den Fall, das dieses nicht beigetrieben werden könne, Ordnungshaft von zwei Tagen fest. Zugleich wurden der Beschwerdeführerin die durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. In den Gründen wird ausgeführt, durch die Abgabe eines Kurzberichts und diverser medizinischer Unterlagen liege keine ausreichende Entschuldigung für das Nichterscheinen der geladenen Zeugin vor.

Die Beschwerdeführerin hat am 20. August 2010 Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss erhoben und ausgeführt: Sie habe die Befundunterlagen am Sitzungstag um 9.00 Uhr persönlich mit der Bitte um Weiterleitung an der Information des Justizzentrums in der Thüringer Strasse 6 abgegeben. Das SG hat am 20. August 2010 eine Aufhebung des Ordnungsgeldbe...

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