Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung eine Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. Nr. 4302 BKV
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. Nr. 4302 BKV durch allergisierende bzw. chronisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe ist nach § 9 Abs. 1 S. 1 SG 7 die hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich, dass die Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit verursacht wurde.
2. Eine Anerkennung dieser Berufskrankheiten ist ausgeschlossen, wenn beweisende Befunde für eine obstruktive Atemwegserkrankung nicht existieren.
3. Erforderlich ist ein Krankheitsbild, welches den Versicherten zur Unterlassung seiner vorher ausgeübten Tätigkeit gezwungen hat.
4. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast spricht der erste Anschein bei einem Betroffenen, der einen Arzt mit einschlägigen Beschwerden niemals aufgesucht hat, nicht für das Vorliegen einer Atemwegserkrankung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit einer obstruktiven Atemwegserkrankung. Als angeschuldigte Einwirkungen werden sowohl allergisierende Stoffe (Berufskrankheit nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - Anl. 1 BKV) als auch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe (Nr. 4302 Anl. 1 BKV) geltend gemacht.
Der 19 ... geborene Kläger arbeitete seit seiner Lehre 1968 als Maurer und Fliesenleger, zuletzt seit 1992 selbständig. Seit dem 22. Juni 1998 war er wegen einer Hauterkrankung arbeitsunfähig, gab seinen Beruf auf und bezog nach insoweit erfolgreicher Klage eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Unmittelbar nach der Berufsaufgabe führte der Kläger bereits ein Verfahren zur Anerkennung einer allergischen Hauterkrankung als Berufskrankheit. Hierfür erhält er eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 25 v. H ... Im zu Grunde liegenden Klageverfahren erstellte der Direktor der Universitätsklinik M. für Dermatologie und Venerologie Prof. Dr. G. ein Gutachten vom 23. November 2000. Darin erwähnte er als Beschwerdeäußerung des Klägers, bei Aufräumarbeiten anlässlich der Unternehmensauflösung sei es zu Hustenreiz und Atembeschwerden durch aufgewirbelte Stäube gekommen. Dazu vermerkte er als Verdachtsdiagnose ein berufsbedingtes exogen-allergisches Asthma bronchiale bei Typ-I-Sensibilisierung gegen Acrylate. Diese Überlegung floss auch in seine Leistungsbeurteilung für das parallele Verfahren gegen die gesetzliche Rentenversicherung ein. Zur weiteren Klärung der Berufskrankheit regte er eine - nicht erfolgte - pulmologische Zusatzbegutachtung an.
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage vom 15. November 2001 schlossen sich die Hautärzte Dres. Th ... und Sch. im Wesentlichen dem Gutachten an, wobei auch sie von Atemwegsbeschwerden ausgingen.
Im Zuge des 2014 begonnenen vorliegenden Verwaltungsverfahrens legte der Präventionsdienst der Beklagten einen Bericht vom 13. März 2015 vor, wonach der Kläger einer Exposition im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 4301 Anl. 1 BKV nicht ausgesetzt gewesen sei, wohl hingegen einer Exposition nach Nr. 4302 Anl. 1 BKV. Ob weitere Stoffe in den verwendeten Produkten als Ursache hinzuträten, sei durch einen medizinischen Gutachter noch weiter zu klären.
Nach Befundberichten der Internistin Dr. Sch. und einem Auszug aus ihrer Behandlungskartei hatte der Kläger sich dort am 7. Juli 2005 mit der Angabe erstmals vorgestellt, er leide seit zwei Jahren an Husten mit Auswurf und Schmerzen in der linken Lunge. Nach der Befundbesserung einer deutlichen kombinierten Ventilationsstörung beendete der Kläger die Behandlung mit einem Termin am 29. November 2005. Den Verlauf bestätigte unter Angabe des Überweisungsjahrs der Allgemeinmediziner F., den der Kläger 2006 zuletzt aufgesucht hatte. Nach einer Befunddarstellung des Kreiskrankenhauses Bitterfeld-Wolfen von einer Thorax-Röntgenaufnahme vom 9. Dezember 2003 lag eine leicht vermehrte Lungen- und Hiluszeichnung wie bei Bronchitis vor. Diese Diagnose geht auch aus den Unterlagen von Dr. Sch. hervor.
In seinem Gutachten vom 9. Februar 2017 gelangte der Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Hämatologie und Onkologie (Medizinische Klinik III) des St. E. u. St. B.-Krankenhauses H. /S., Dr. H., zu dem Ergebnis, es bestehe kein Zusammenhang zwischen einem beim Kläger bestehenden Asthma bronchiale und allergisierenden, chemisch-irritativen oder toxisch wirkenden Stoffen. Eine verbleibende Obstruktion sei nicht nachweisbar. Die aktuelle bronchiale Hyperreagibilität könne 17 Jahre nach Expositionsende nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Exposition zurückgeführt werden. Nach der auch ohne Allergenkontakt fortbestehenden Symptomatik halte er die Vermutung von Prof. Dr. G. in dem Gutachten vom 23. November 2000 für nicht zutreffend. Eine nach 2006 erneute, ehe...