Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss einer Übernahmepflicht unwirksam abgerechneter Wohnungsnebenkosten des Hilfebedürftigen durch den Grundsicherungsträger

 

Orientierungssatz

1. Aufgrund einer unwirksamen Vereinbarung mit dem Vermieter getätigte Zahlungen des Hilfebedürftigen sind keine angemessenen Kosten der Unterkunft i. S. des § 22 SGB 2 und damit vom Grundsicherungsträger nicht zu übernehmen. Eine formell unwirksame Nebenkostenabrechnung des Vermieters löst keine Zahlungspflicht des Mieters aus, wenn sie den Voraussetzungen des § 259 BGB nicht entspricht.

2. Eine wirksame Abrechnung der Nebenkosten liegt u. a. dann nicht vor, wenn sich aus ihr weder die Gesamtkosten der einzelnen Kostenpositionen noch der Verteilerschlüssel auf die Bewohner des Hauses ergibt. In einem solchen Fall schuldet der Hilfebedürftige seinem Vermieter keine Nachzahlung. Er kann die Zahlung verweigern, sodass ihm keine Aufwendungen entstehen. Infolgedessen ist der Grundsicherungsträger nicht verpflichtet, die entsprechenden Kosten zu übernehmen.

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein beim Sozialgericht Magdeburg (SG) anhängiges Klageverfahren.

Die im Jahr 1952 geborene Klägerin bezieht von den Beklagten laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie lebt in einer Zweizimmerwohnung mit einer Wohnfläche von 45 m². Vermieter ist ihr Sohn, der im selben Haus auch eine Wohnung hat. Nach dem am 1. Juni 2002 geschlossenen Mietvertrag hatte sie eine monatliche Kaltmiete iHv 252,90 EUR sowie eine Vorauszahlung auf die Betriebskosten (einschließlich Heizkosten) iHv 68,85 EUR zu zahlen. In der Folge erhöhten sich die monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen auf 120,52 EUR im Jahr 2004 und auf 145,52 EUR ab Juli 2005.

Die Betriebskostenabrechnungen des Vermieters für die Jahre 2004 bis 2006 gelangten zu einem auf die Klägerin entfallenden Kostenanteil iHv 1.446,24 EUR, der dem Jahresbetrag der Vorauszahlungen entsprach. Die "Betriebskostenaufstellung 2007" endete mit einer Forderung iHv 585,00 EUR, die der Beklagte mit Bescheid vom 31. Juli 2008 übernahm.

Mit "Betriebskostenaufstellung 2008" vom 25. August 2009 forderte der Vermieter eine Nachzahlung iHv 990,24 EUR bis zum 1. Oktober 2009. Die Abrechnung erfolgte - wie bereits die Abrechnungen für die Vorjahre - durch Auflistung folgender Positionen:

"Wasserversorgung und Entsorgung: 12 x 101,00 EUR =

1.212,00 EUR

Heizung-Öl/Warmwassser 12 x 100,00 EUR =

1.200,00 EUR

Grundsteuer, Müllabfuhr 12 x 11,50 EUR =

138,00 EUR

Schornsteinfeger: 12 x 4,02 EUR =

48,24 EUR

Nebenkosten Gesamt:

2.598,24 EUR

davon Bezahlt:

1.608,00 EUR

Somit ergeben sich folgende offene Posten:

Offene Posten Vorjahr Wasser/Abwasser -Nachzahlung:

400,00 EUR

Offene Posten Vorjahr Warmwasser/Heizung - Öl -Nachzahlung:

590,24 EUR

Nachzahlung Gesamt:

990,24 EUR

"

Die Klägerin beantragte beim Beklagten die Übernahme des Nachzahlungsbetrages. Dieser teilte ihr am 21. September 2009 mit, aus der Betriebskostenabrechnung sei nicht ersichtlich, wie sich die Kosten zusammensetzten und auf welcher Grundlage die einzelnen Kosten umgelegt würden. Sie werde aufgefordert, "Widerspruch" gegen die Betriebskostenabrechnung einzulegen und die Kostenpositionen prüfen zu lassen, um eine Abänderung zu erreichen. Sie könne sich durch Sachverständige (Mieterverein, Verbraucherzentrale u.a.) helfen lassen. Daraufhin erklärte die Klägerin, sie verstehe das nicht und der Beklagte möge die Angelegenheit mit dem Vermieter regeln, was dieser unter Hinweis auf die Vertragsbeziehung von Klägerin und Vermieter ablehnte.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2009 lehnte der Beklagte eine Übernahme der Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung 2008 ab. Da die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei, werde die Übernahme versagt.

Die Klägerin unterrichtete den Beklagten über ihre Intervention beim Vermieter. Dieser habe mit Schreiben vom 20. Oktober 2009 mitgeteilt, die Betriebskostenabrechnung entspreche dem tatsächlichen Verbrauch. Den von ihr eingelegten Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2010 als unbegründet zurück. Eine Übernahme sei nicht möglich. Nachzahlungen aus Nebenkostenabrechnungen seien nur dann tatsächliche Aufwendungen, wenn der Anspruch wirksam entstanden sei. Ordnungsgemäß sei eine Abrechnung dann, wenn sie eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthalte. Bei Gebäuden mit mehreren Einheiten seien in die Abrechnung als Mindestangaben eine Zusammenstellung der Gesamtkosten, die Angabe und Erläuterung der zugrundeliegenden Verteilerschlüssel, die Berechnung des Anteils des Mieters und der Abzug der tatsächlich geleisteten Vorauszahlungen des Mieters aufzunehmen. Die vorliegende Abrechnung erfülle diese Voraussetzungen nicht. Es fehle...

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