Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Verhältnis zwischen Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und Erlass einer Regelungsanordnung. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rücknahme einer vorläufigen Bewilligung. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. anderes Aufenthaltsrecht. selbstständige Tätigkeit als Schrotthändler/-sammler. gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens fünf Jahren. Maßgeblichkeit des Meldedatums. Unerheblichkeit eines fehlenden materiellen Aufenthaltsrechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Verhältnis zwischen Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs und Erlass einer Regelungsanordnung nach der Rücknahme einer vorläufigen Bewilligung.

2. Zu den Anforderungen an die Ausgestaltung einer Tätigkeit als niedergelassener selbständiger Unionsbürger (hier: Schrotthändler/-sammler) durch die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs und die entsprechende Nutzungsberechtigung bei dem Vortrag, es werde "im Fahrzeug" gesammelt.

3. Zur Maßgeblichkeit des Meldedatums nach § 7 Abs 1 S 4 SGB II und der Unmaßgeblichkeit eines tatsächlich nicht bestehenden materiellen Aufenthaltsrechts bei fehlender Ausreisepflicht.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 30. Januar 2019 über die Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz wird abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig vom 20. bis zum 31. Mai 2019, längstens aber bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache oder bis zur Feststellung des Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 des FreizügG/EU, Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Maßgeblich ist hinsichtlich der Entscheidung in der Hauptsache oder der Feststellung des Verlusts des Rechts nach § 2 Abs. 1 des FreizügG/EU das zeitlich frühere Ereignis. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 30. Januar 2019 über die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird aufgehoben. Den Antragstellern wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Halle Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. bewilligt. Außergerichtliche Kosten der Antragsteller für das einstweilige Rechtschutzverfahren sowie für das Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung darüber, ob die Antragsteller vom 1. Dezember 2018 bis zum 31. Mai 2019 Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) haben beziehungsweise ob hinsichtlich der Rücknahme einer vorläufigen Bewilligung für die Zeit vom 1. Dezember 2018 bis zum 31. Januar 2019 Leistungen wegen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage zu zahlen sind. Außerdem wenden sich die Antragsteller gegen die ihre Anträge auf Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Halle ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung und begehren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren.

Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Der 1979 geborene Antragsteller zu 1) ist seit April 2013 mit der 1974 geborenen Antragstellerin zu 2) verheiratet. Die Antragstellerin zu 4) ist die im Juni 2009 geborene gemeinsame Tochter des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2). Nach einer im Februar 2014 ausgestellten Geburtsurkunde ist der im April 2002 geborene Antragsteller zu 3) der gemeinsame Sohn des Antragstellers zu 1) und der Antragstellerin zu 2).

Nach ihrem Vortrag im gerichtlichen Verfahren sind die Antragsteller im April 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, um dauerhaft hier zu leben und zu arbeiten. Im Rahmen der Erstantragstellung auf Leistungen nach dem SGB II bei dem Antragsgegner am 14. August 2014 hatte der Antragsteller zu 1) erklärt, er lebe zusammen mit der Antragstellerin zu 2) und der Antragstellerin zu 4). Außerdem hatte er Bescheinigungen des Einwohnermeldeamts der Stadt H. zu Anmeldungen einer Hauptwohnung in der St. Straße ..., für sich selbst vom 20. Mai 2014 zum 10. April 2014, für die Antragstellerin zu 2) vom 3. Juni 2014 zum 1. April 2014 und für die Antragstellerin zu 4) vom 26. Juni 2014 zum 1. Juni 2014, vorgelegt. Der auf ein Jahr befristete Pass für die Antragstellerin zu 4) ist am 5. Mai 2014 in Rumänien ausgestellt worden. Die Antragstellerin zu 4) besucht seit dem Jahr 2016 die Grundschule.

Den Mietvertrag für die Wohnung in der St. Straße ... hatte der Antragsteller zu 1) am 20. Mai 2014 zum 1. Juni 2014 abgeschlossen. Für die 56,98 qm große Wohnung fordert die Vermieterin seit September 2018 298,36 EUR Gr...

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