Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. hinreichende Erfolgsaussichten. gesetzliche Unfallversicherung. MdE-Feststellung. kompliziert zusammengesetzte Beeinträchtigung des Leistungsvermögens
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Streit über den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit sind hinreichende Erfolgsaussichten (auch) gegeben, wenn die Beeinträchtigung des Leistungsvermögens als solche sich aus komplizierten Einzelaspekten zusammensetzt, deren Gesamtwürdigung noch nicht abschließend möglich ist.
2. Eine solche kompliziert zusammengesetzte Beeinträchtigung des Leistungsvermögens liegt etwa vor, wenn die Gesundheitsstörung mit ihren Funktionsbeeinträchtigungen nicht als solche von einem Tabellenwert im Rahmen der wissenschaftlichen Erfahrungswerte erfasst wird und einen nachvollziehbaren Vergleich mit den Vorschlägen für eine andere Gesundheitsstörung und/oder eine integrierende Beurteilung erfordert, die sich auf mehrere Teilgesundheitsstörungen mit dem durch sie jeweils bedingten Einzelgrad der Minderung der Erwerbsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt gegenseitiger Beeinflussung bezieht.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 15. August 2013 wird aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. zu den Bedingungen eines am Wohnort des Klägers ansässigen Rechtsanwalts bewilligt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden nur Kläger) wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht. Er verfolgt in der Hauptsache einen Anspruch auf höhere Verletztenrente.
Der 1953 geborene Kläger erlitt am 12. September 2007 einen Arbeitsunfall. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. Januar 2011 stellte die Beklagte für den Zeitraum ab Ende der Verletztengeldzahlung vom 1. Dezember 2010 an einen Anspruch des Klägers auf eine (Verletzten-) Rente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v. H. fest. Sie zählte als berücksichtigte Unfallfolgen auf: Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks rechts mit 20° Spitzfußstellung, Weichteilwunde medial am rechten Sprunggelenk mit derzeitiger stationärer Sanierung, chronische Osteitis und erhebliche Weichteilwunden rechter Unterschenkel, Beinlängendifferenz (rechtes Bein 2 cm kürzer), Bewegungseinschränkungen Zehen und Knie rechts, Minderung des Muskelmantels rechtes Bein.
Dabei stützte sich die Beklagte auf ein Gutachten des Direktors der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. in H., Prof. Dr. Dr. H., vom 7. September 2010. Darin hatte er mitgeteilt, der Kläger befinde sich aktuell zur Sanierung der Weichteilwunde in seiner stationären Behandlung. Bei deren planmäßigem Verlauf solle eine Rehabilitation eingeleitet werden, so dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Dauer zwischen 30 und 40 v. H. liegen dürfe.
Als weiterer unfallbedingter Befund ist eine O-Bein-Fehlstellung des rechten Unterschenkels beschrieben. Als nicht in Frage gestellte Beschwerden sind Schmerzen bei ausgedehnten Narben des rechten Unterschenkels, Beschwerden beim Treppensteigen und Laufen auf unebenem Gelände sowie auf der schiefen Ebene wiedergegeben. Der Kläger sei auf zwei Unterarmgehstützen angewiesen; daneben finde eine Unterschenkelschiene Anwendung. Die Kniegelenksbeweglichkeit war rechts ausweislich des beigefügten Messblatts in der Beugung auf 90°, die Beweglichkeit der Zehengelenke um die Hälfte vermindert.
Mit dem Entlassungsbericht vom 2. Dezember 2010 berichteten die behandelnden Ärzte der Klinik über die durchgeführte Wundbehandlung. Es lag noch eine 10 cm große granulierte Operationswunde vor. Der Fuß musste noch entlastet bleiben.
In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20. Dezember 2010 ging der Chirurg Dr. K. von einer funktionell bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 v. H. aus, schlug aber aufgrund der noch unstabilen Weichteilverhältnisse eine solche um 40 v. H. vor.
Mit fristgerechtem Widerspruch gegen den genannten Bescheid machte der Kläger geltend, er könne nicht mehr zu 60% am Erwerbsleben teilnehmen. Er leide unter einer Wunde im Bereich des Innenknöchels, die sich permanent öffne. Er müsse stärkste Schmerzmedikamente einnehmen, die unter das Betäubungsmittelgesetz fielen.
In Berichten vom 9. Februar, 16. und 31. März 2011 beschrieben die behandelnden Ärzte die Weichteilwunde als oberflächliche, Millimeter große Restläsion bzw. die Wunddehiszenz als deutlich rückläufig.
Nach einem Bericht vom 5. Mai 2011 sollte der Fuß jetzt wieder aufbelastet werden. Der Kläger gab wiederkehrende Schmerzen im Fuß bei Kälte an. Am 12. Juli 2011 stellte sich der Patient dort unter "schmerzadaptierter Vollbelastung" mit Gießharzorthese und zwei Unterarmgehstützen vor. Die Weichteile im Bereich des Sprunggelenks zeigten sich nahezu verschlossen und völlig reizlos. Am 9. August ...