Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Verfahrensgebühr. Berücksichtigung der anwaltlichen Tätigkeiten ab Wirksamwerden der Prozesskostenhilfebewilligung. abweichende Bestimmung durch Bewilligung ab bestimmten Datum
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmung von Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit iS von § 14 Abs 1 S 1 RVG sind nur die Tätigkeiten zu berücksichtigen, die der Rechtsanwalt ab dem Wirksamwerden der Bewilligung der Prozesskostenhilfe entfaltet hat.
2. Hat das Sozialgericht die Prozesskostenhilfe ab einem bestimmten Datum bewilligt, ist die vorherige Tätigkeit des Rechtsanwalts daher nicht zu berücksichtigen. Es handelt sich dann um eine abweichende Bestimmung iS von § 48 Abs 4 S 1 RVG.
3. An der hiervon abweichenden Auffassung eines vormaligen Berichterstatters (Beschluss vom 9.8.2012 - L 5 SF 2/09 E) hält der Senat nicht fest.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer aus der Landeskasse zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg zum Aktenzeichen S ...
Im zu Grunde liegenden Verfahren begehrte die 1983 geborene Klägerin die Aufhebung von Bescheiden, mit denen der Beklagte die Minderung des der Klägerin gewährten Arbeitslosengeldes II um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2017 festgestellt hatte. Der Erinnerungsführer vertrat die Klägerin anwaltlich und erhob die Klage mit einem vierseitigen Begründungsschriftsatz am 6. Oktober 2017. Zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung. Die Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte er nach Hinweis des Sozialgerichts auf § 118 Abs. 2 Satz 4 Zivilprozessordnung (ZPO) am 18. April 2018 ein. Mit Beschluss vom 14. Mai 2018 bewilligte das Sozialgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers ab 18. April 2018. Am 4. Juni 2018 erkannte der Beklagte das Klagebegehren einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach an und hob die angefochtenen Bescheide auf. Am 27. Juni 2018 nahm der Erinnerungsführer das Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Ebenfalls am 27. Juni 2018 beantragte der Erinnerungsführer, die aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung auf insgesamt 566,44 EUR festzusetzen. Dabei legte er eine Verfahrensgebühr i.H.v. 240,00 EUR und eine Terminsgebühr i.H.v. 216,00 EUR zu Grunde. Zuzüglich der Pauschale für Post und Telekommunikation von 20,00 EUR und der Mehrwertsteuer von 90,44 EUR ergab sich der begehrte Betrag.
Mit Prozesskostenhilfe-Festsetzung von 16. Juli 2018 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung auf 135,66 EUR fest. Die Verfahrensgebühr sei in Höhe der Mindestgebühr von 50,00 EUR angemessen. Denn die Prozesskostenhilfe sei erst ab dem 18. April 2018 bewilligt worden. Vor diesem Zeitpunkt erbrachte Tätigkeiten des Erinnerungsführers seien daher nicht von der Prozesskostenhilfe gedeckt. Die Terminsgebühr betrage 90 % der Verfahrensgebühr und also 45,00 EUR. Die Postpauschale reduziere sich damit auf 19,00 EUR und die Umsatzsteuer auf 21,66 EUR.
Dagegen hat der Erinnerungsführer am 18. Juli 2018 Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass nunmehr in § 48 Abs. 4 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) bestimmt sei, dass sich die Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe auf Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe erstrecke, soweit vom Gericht nichts anderes bestimmt sei. Ferner erstrecke sich die Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe auf die gesamte Tätigkeit im Verfahren über die Prozesskostenhilfe einschließlich der vorbereitenden Tätigkeit. Auch die Tätigkeit im Klageverfahren nach dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bis zur Bewilligung solle grundsätzlich in die Bemessung der Gebühr einbezogen werden. Dem Gericht bleibe die Möglichkeit, im Bewilligungsbeschluss etwas anderes zu bestimmen. Hieraus folge, dass nunmehr die gesamte Tätigkeit des Anwalts im Bewilligungsverfahren erfasst sein solle. Daher sei auch die Verfahrenstätigkeit, die der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags gelte, bei der Bemessung der Gebühr zu berücksichtigen. Es könne nicht mehr allein auf das Vorliegen des vollständigen Prozesskostenhilfeantrags abgestellt werden, da der Gesetzgeber in der genannten Vorschrift eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, dass die gesamte Tätigkeit im Rahmen der Prozesskostenhilfe erfasst sein solle. Wenn der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gleichzeitig mit der Einreichung der Klageschrift gestellt werde, sei deshalb auch die Fertigung der Klageschrift und mithin die Begründung der Klage von der Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe erfasst. Daher sei vorliege...