Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Bewilligungsbeschluss ohne zeitliche Beschränkung. Auslegung. Bewilligung ab erstmaliger Antragstellung. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahrensgebühr. Berücksichtigung der Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt, ohne einen Zeitraum der Bewilligung zu bestimmen, ist der Beschluss dahingehend auszulegen, dass die Prozesskostenhilfe ab der erstmaligen Antragstellung bewilligt worden ist, ohne dass es darauf ankommt, wann die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht worden ist.
2. Dann ist die gesamte Tätigkeit des Anwalts ab der erstmaligen Antragstellung bei der Bestimmung der Höhe der Verfahrensgebühr iS von § 14 Abs 1 S 1 RVG mit einzubeziehen.
Tenor
Auf die Beschwerde werden der Beschluss vom 6. März 2018 und der Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 23. Januar 2017 abgeändert.
Die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wird auf 329,63 EUR festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Erinnerungsführer aus der Landeskasse zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg zum Aktenzeichen S ...
Im zu Grunde liegenden Verfahren begehrten die fünf Kläger die Aufhebung von Bescheiden, mit denen der Beklagte die teilweise Erstattung der den Klägern für die Zeit von Januar bis Dezember 2011 gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) verlangt hatte. Der Erinnerungsführer vertrat die Kläger anwaltlich und erhob die Klage am 7. Januar 2013 nach einer vorausgegangenen Vertretung im Widerspruchsverfahren. Zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung. Am 19. August 2013 begründete er die Klage mit einem zweiseitigen Schriftsatz. Die Erklärung der Kläger über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte er am 1. Februar 2016 ein. Am 26. Juli 2016 führte das Sozialgericht einen Erörterungstermin gemeinsam mit zwei anderen, 2012 erhobenen Klagen der Kläger durch, welcher insgesamt 65 Minuten dauerte. Während des Termins beschloss das Sozialgericht, den Klägern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers zu bewilligen. Im Anschluss nahmen die Kläger die Klage zurück. Der Beklagte erklärte sich bereit, die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu einem Viertel zu tragen. Die beiden anderen Verfahren betrafen die vorläufige und endgültige Leistungsbewilligung für den gleichen Zeitraum zu den Aktenzeichen S ... und S ... Das Sozialgericht hat diese beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Nachdem die Kläger weitere Unterlagen eingereicht haben, hat das Sozialgericht diese Klagen auf eine mündliche Verhandlung vom 1. September 2017, welche 58 Minuten gedauert hat, abgewiesen. Dagegen haben die Kläger Berufung eingelegt, welche noch beim Senat anhängig ist (Aktenzeichen L ...).
Am 6. September 2016 beantragte der Erinnerungsführer, die aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung auf insgesamt 484,63 EUR festzusetzen. Dabei legte er eine Verfahrensgebühr nebst Erhöhungsgebühr in Höhe der Mittelgebühr von 323,00 EUR und eine Terminsgebühr von 200,00 EUR zu Grunde. Zuzüglich der Pauschale für Post und Telekommunikation von 20,00 EUR und der Mehrwertsteuer von 103,17 EUR ergaben sich 646,17 EUR. Davon beanspruchte der Erinnerungsführer 75 %, also 484,63 EUR.
Mit Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 23. Januar 2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung auf 193,97 EUR fest. Die Verfahrensgebühr sei in Höhe der Mindestgebühr von 88,00 EUR angemessen. Denn es seien für die Bestimmung der Gebühr lediglich anwaltliche Tätigkeiten seit dem 1. Februar 2016 berücksichtigungsfähig, weil an diesem Tag die vollständigen Prozesskostenhilfe-Unterlagen bei Gericht eingegangen seien. Davon ausgehend seien der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als weit unterdurchschnittlich anzusehen. Die Terminsgebühr sei in Höhe von einem Drittel der Mittelgebühr, 67,00 EUR, angemessen, da in dem Termin drei Verfahren verhandelt worden seien. Die Auslagenpauschale reduziere sich damit auf 8,00 EUR und die Umsatzsteuer auf 30,97 EUR.
Dagegen hat der Erinnerungsführer am 31. Januar 2017 das Gericht angerufen. Eine entsprechende Einschränkung der Bewilligung habe im Beschluss zu erfolgen. Vorliegend fehle es daran, so dass davon auszugehen sei, dass die Prozesskostenhilfe von Beginn an bewilligt wurde.
Mit Beschluss vom 6. März 2018 hat das Sozialgericht die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 247,52 EUR festgesetzt und die Erinnerung im Übrigen zurückgewiesen. Die Verfahrensgebühr sei nicht in Höhe der beantragten Mittelgebühr entstanden, sonder...