Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. dieselbe Angelegenheit iS von § 15 Abs 2 RVG. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Erlass von mehreren Bescheiden für verschiedene Bewilligungszeiträume bei gleicher Rechtsfrage. mehrere Klageverfahren. kein einheitlicher Lebenssachverhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn im Grundsicherungsrecht nach dem SGB II eine Rechtsfrage (Aufteilung der KdUH) über mehrere Bewilligungszeiträume hinweg (mit-)streitgegenständlich ist und vom Leistungsträger mehrere Bescheide für die verschiedenen Zeiträume erlassen werden, ist in der Regel nicht vom Vorliegen derselben Angelegenheit iS von § 15 Abs 2 RVG auszugehen.
2. Hat der Leistungsträger mehrere gesonderte Bescheide erlassen und auch das SG keinen Anlass für eine Verbindung der anhängigen Verfahren gesehen, besteht kein Anlass für den Vorhalt, der Bevollmächtigte habe einen einheitlichen Lebenssachverhalt willkürlich in mehrere Prozessmandate aufgeteilt.
Tenor
Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Mai 2018 werden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeverfahren betreffen die Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt, die dem Beschwerdegegner gegen die Landeskasse (Beschwerdeführer) zusteht.
In den drei beim Sozialgericht D.-R. (SG) anhängigen Klageverfahren S 13 AS 874/10, S 13 AS 875/10 und S 13 AS 892/10 wurde der dortigen Klägerin mit Beschlüssen vom 21. Juni 2011 Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und der Beschwerdegegner beigeordnet.
In den Klageverfahren ging es der Klägerin, die vom Beklagten laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezog, um die Höhe der Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH). Sie bewohnte ein Eigenheim, welches ihr in vorweggenommener Erbfolge von ihren Eltern übertragen worden war. Nach dem notariellen Vertrag war den Eltern ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt worden. Streitig war insbesondere, in welchem Umfang die Klägerin die Aufwendungen für das Eigenheim als eigene KdUH geltend machen konnte.
Im Klageverfahren S 13 AS 874/10 war die Aufteilung der KdUH für den Zeitraum von Dezember 2008 bis April 2009 streitig.
Im Verfahren S 13 AS 875/10 ging es im Überprüfungsverfahren um die Berücksichtigung einer Nachforderung aus der Jahresabrechnung des Trinkwasserversorgers im November 2008 bei den KdUH.
Im Verfahren S 13 AS 892/10 waren die KdUH-Leistungen im Bewilligungszeitraum von April bis September 2009 streitig.
In den Klageverfahren fanden am 31. März 2011 und 22. Juli 2014 Erörterungstermine statt, in denen jeweils noch andere Verfahren der Klägerin erörtert wurden. Am 28. Oktober 2014 fand in den Verfahren die mündliche Verhandlung statt, nach deren Ende das SG jeweils durch Urteil entschied.
Am 13. März 2015 beantragte der Beschwerdegegner jeweils die Festsetzung der Gebühren und Auslagen nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) - für das Verfahren S 13 AS 875/10 (jetzt L 4 AS 414/18 B) wie folgt:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG: 300,00 EUR
Termingebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG: 200,00 EUR
Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz gemäß Nr. 7003 VV RVG
(31.03.2011, 64 km Hin-und Rückweg x 0,30 EUR) (1/19): 1,01 EUR
Tage- und Abwesenheitsgeld für bis zu 4 Std. gemäß Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG (1/19): 1,05 EUR
Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz gemäß Nr. 7003 VV RVG (22.07.2014, 64 km) (1/9): 2,13 EUR
Tage- und Abwesenheitsgeld für bis zu 4 Std. gemäß Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG (1/9): 2,22 EUR
Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz gemäß Nr. 7003 VV RVG (28.10.2014, 64 km) (1/14): 1,37 EUR
Tage- und Abwesenheitsgeld für bis zu 4 Std. gemäß Nr. 7005 Nr. 1 VV RVG (1/14): 1,43 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Dokumentenpauschale für 12 Ablichtungen: 6,00 EUR
Zwischensumme netto: 535,21 EUR
19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG: 101,69 EUR
Gesamtbetrag: 636,90 EUR
Die Berechnungen für die beiden anderen Verfahren waren gleichlautend bis auf eine abweichende Anzahl von Fotokopien, die zu geringfügig anderen Mehrwertsteuerbeträgen führten: Im Verfahren S 13 AS 874/10 wurden 14 Ablichtungen zu einem Gesamtbetrag von 7,00 EUR geltend gemacht. Der Gesamtbetrag der Berechnung belief sich auf 638,09 EUR. Für das Verfahren S 13 AS 892/10 wurden für neun Ablichtungen 4,50 EUR in Rechnung gestellt, sodass sich ein Gesamtbetrag von 635,11 EUR ergab.
Am 17. März 2015 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die aus der Landeskasse zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 638,09 EUR im Verfahren S 13 AS 874/10, 636,90 EUR im Verfahren S 13 AS 875/10 und 635,11 EUR im Verfahren S 13 AS 892/10 fest.
Unter dem 12. Oktober 2015 hat der Beschwerdeführer für die Landeskasse gegen die PKH-Festsetzungsentscheidungen vom 17. März 2015 in den Verfahren S 13 AS 875/10 und S 13 AS 892/10 Erinnerung eingelegt und die Aufhebung der Vergütungsfestsetzung beantragt. Zur Begründung hat er ...