Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Übernahme von Bestattungskosten bei einem Bezug von Grundsicherungsleistungen. maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten eines PKH-Antrags bei Verfahrensverzögerungen

 

Orientierungssatz

1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags auf Prozesskostenhilfe ist jedenfalls dann ausnahmsweise auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags zurückzuverlagern, wenn im Verfahren Verzögerungen aufgetreten sind, die vom Antragsteller nicht zu vertreten sind. Spätere Änderungen der Erfolgsaussichten bleiben dann bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unberücksichtigt.

2. Ein Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2 schließt die Übernahme von Bestattungskosten durch den Sozialleistungsträger nach dem SGB 12 nicht aus.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 29. November 2011 wird aufgehoben und der Klägerin wird rückwirkend für das vor dem Sozialgericht Halle geführte Klageverfahren S 16 AS 5922/10 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin Zahn bewilligt. Kosten dieses Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Klägerin wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein ehemals beim Sozialgericht Halle (SG) anhängiges, mittlerweile beendetes Klageverfahren.

Die am ... 1949 geborene Klägerin und ihr Ehemann lebten zusammen in einem Haushalt und bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Am 2. Juli 2010 verstarb der Ehemann der Klägerin. Die Klägerin stellte bei dem zuständigen Träger der Grundsicherungsleistungen, der ARGE SGB II B. (ARGE), deren Rechtsnachfolger der Beklagte ist, mit Schreiben vom 12. Juli 2010 einen Antrag auf eine Beihilfe für die Aufwendungen zur Urnenbestattung ihres verstorbenen Ehemannes. Beigefügt war eine Kostenaufstellung, wonach sich die Kosten auf insgesamt 2.459,92 EUR beliefen. Die Klägerin war damals noch nicht anwaltlich vertreten. Sie führte in dem Antragsschreiben aus, sie sei nicht in der Lage, die Kosten alleine zu tragen und bitte um Unterstützung. Die ARGE lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. August 2010 ab und verwies dabei darauf, dass die Regelleistung nach dem SGB II pauschaliert nach festen Sätzen erfolge. Hiergegen erhob die Klägerin, nunmehr anwaltlich vertreten, mit Schreiben vom 24. August 2010 Widerspruch. Dabei verwiesen die Anwälte der Klägerin auf § 74 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII). Die ARGE wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2010 als unbegründet zurück und führte aus, im Falle der Klägerin liege kein zu übernehmender zusätzlicher Mehrbedarf vor.

Die Klägerin hat gegen den ihren Bevollmächtigten am 8. September 2010 zugestellten Widerspruchsbescheid am 7. Oktober 2010 Klage beim SG erhoben. Am 8. Oktober 2010 hat die Klägerin unter Beifügung einer ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse den Antrag gestellt, ihr PKH für das Klageverfahren zu bewilligen.

Mit einem Schreiben vom 24. November 2010 teilte die beim SG zuständige Kammervorsitzende der ARGE mit: Das bisherige Verwaltungsverfahren sei nicht gesetzeskonform abgelaufen. Die ARGE hätte den Antrag der Klägerin entweder an den Sozialhilfeträger weiterleiten oder aber darüber selbst entscheiden und dann einen Erstattungsanspruch geltend machen sollen. Es werde angefragt, ob eine Bewilligung in Betracht komme. Daraufhin antwortete der mittlerweile zuständige Beklagte mit Schreiben vom 27. Januar 2011, eine Übernahme der Bestattungskosten durch ihn komme nicht in Betracht; der Anspruch ergebe sich aus dem SGB XII. Nunmehr wandte sich die Kammervorsitzende mit Schreiben vom 9. Februar 2011 an den Landkreis B. als den zuständigen Sozialhilfeträger und fragte an, ob von dort die Bestattungskosten übernommen werden könnten, ohne dass eine Beiladung erfolgen müsse. Der Sozialhilfeträger leitete sodann ein Verwaltungsverfahren ein und lud die Klägerin zu einem Gespräch am 3. März 2011 ein. Mit Schreiben vom 29. März 2011 teilte der Landrat des B. der Kammervorsitzenden mit, die Klägerin habe im Laufe des Gespräches erklärt, die Übernahme der Bestattungskosten nicht mehr beantragen zu wollen, um zu verhindern, dass ggf. ihre Kinder für eine Erstattung herangezogen würden. Hierzu nahmen die Klägerin bzw. ihre Bevollmächtigen keine Stellung. Mit einem Schreiben vom 18. Juli 2011 wies die Kammervorsitzende die Prozessbevollmächtigen der Klägerin darauf hin, dass die Klage als zurückgenommen gelte, wenn nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten dargelegt werde, warum noch ein Rechtsschutzbedürfnis für das Weiterbetreiben des Verfahrens bestehe. Am 29. November 2011 stellte die Kammervorsitzende dann die Erledigung des Verfahrens fest und wies mit Beschlus...

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