Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme für hauswirtschaftliche Versorgung nach § 61 Abs 5 Nr 4 SGB XII im einstweiligen Rechtsschutz. Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. häusliche Pflege. keine Übernahme der Kosten für einen ambulanten Pflegedienst. Heranziehung naher Angehöriger. Pflegebedürftigkeit. Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Lebt vom Antragsteller 550 m entfernt dessen arbeitslose Tochter, deren zwei Kinder vormittags in Schule und Kindergarten betreut werden, steht eine nahe Angehörige iSv § 63 Abs 1 Satz 1 SGB XII zur Übernahme der hauswirtschaftlichen Versorgung im Umfang eines einmal wöchentlich anfallenden Einkaufs und einer zweimal wöchentlich anfallenden Wohnungsreinigung zur Abdeckung eines täglichen Bedarfs von 13 Minuten bei einer anerkannten Pflegestufe 0 zur Verfügung.
Normenkette
SGB XII §§ 61, 63 S. 1; SGG § 86b Abs. 2 S. 2, § 73a
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller (Ast.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von dem Antragsgegner (Ag.) noch die Kostenübernahme für Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung.
Der ... 1937 geborene Ast. ist im Jahr 2001 mit seiner am ... 1939 geborenen Ehefrau aus der Ukraine, deren Staatsbürgerschaft er hat, nach Deutschland zugezogen. Er und seine Ehefrau beziehen keine Rente und auch kein sonstiges Einkommen und verfügen nicht über ein den Schonbetrag übersteigendes Vermögen. Der Ag. gewährt ihnen laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII), für den Bewilligungsabschnitt ab dem 1. Februar 2011 monatlich insgesamt 1.055,16 EUR. Die Leistungen der Krankenversorgung werden von einer Krankenkasse nach § 264 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) durchgeführt. Der Ast. und seine Ehefrau sind daher nicht nach dem Elften Buches Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) versichert.
Das Ehepaar hat eine am ... 1970 geborene verheiratete Tochter, deren Wohnung sich in einer Entfernung von 550 m Fußweg zu der Wohnung der Eltern befindet. Die Tochter hat nach ihren eigenen Angaben zwei inzwischen drei und dreizehn Jahre alte Kinder. Das noch nicht schulpflichtige Kind besucht vormittags einen Kindergarten. Die Familie der Tochter stockt nach ihren Angaben das Einkommen des Ehemannes durch laufende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) auf.
Der Ast. beantragte am 22. März 2011 bei dem Sozialamt der Stadt H. Hilfe zur Pflege in Form von Sachleistungen durch den Pflegedienst "B.B.P.ambulante Pflege".
Dem daraufhin eingeholten amtsärztlichen Erstgutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit, das die Nervenärztin G. für das Gesundheitsamt der Stadt H. unter dem 28. April 2011 erstattete, ist zu entnehmen, der Ast. lebe mit seiner Ehefrau in der zweiten Etage eines Mehrfamilienhauses. Er leide unter Bluthochdruck mit hypertensiven Krisen; daneben bestünden ein Glaukom links, eine Koronare Herzkrankheit, eine Aortenektasie und eine Dyslipidämie. Das Gehen und Stehen sei "ok". Er habe zeitweise Schwindelattacken bei Lagewechseln (Sitzens-Stehen, Liegen-Stehen) im Sinne von Dreh- bzw. Schwankschwindel. Seit Monaten bestehe eine zunehmende Sturzgefahr. Einschränkungen bestünden in den sozialen Bereichen des Lebens, die er aber wahrnehmen könne. Unter den Einzelpunkten zur Bestimmung der Pflegebedürftigkeit sind ein Bedarf von 10 Minuten/Tag drei- bis viermal wöchentlich im Bereich Grundpflege/Körperpflege/Duschen und ein Bedarf von 13 Minuten/Tag im Bereich Hauswirtschaft, verteilt auf einmal wöchentlich Einkaufen und zweimal wöchentlich Reinigen der Wohnung, angegeben. Die häusliche Pflege sei in geeigneter Weise sichergestellt. Eine Pflege durch Angehörige/Bekannte erfolge nicht; geplant sei evtl. die Grundpflege durch eine ambulante Pflegeeinrichtung.
Die Stadt H. lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. Mai 2011 im Namen des Ag. mit der Begründung ab, die amtsärztliche Untersuchung am 27. April 2011 habe einen Pflegebedarf des Ast. von 10 Minuten täglich bei der Grundpflege im Bereich Körperpflege (Teilübernahme bei Schwindel und Unsicherheit) und von 13 Minuten im Bereich hauswirtschaftliche Versorgung (Hilfe beim Einkauf sowie dem Reinigen der Wohnung) ergeben. Seine Tochter sei arbeitsuchend und wohne in der Nähe. Es bestünden keine Anhaltspunkte, dass die erforderlichen Leistungen nicht vorrangig durch die Tochter erbracht werden könnten.
Der Ast. legte hiergegen am 20. Juni 2011 Widerspruch ein. Er verfolge die Kostenübernahme für die Leistungen, wie sie der B.B.P.ambulante Pflegedienst bei ihm erbringe. Seine Tochter habe zwei Kinder (ein Jahr bzw. acht Jahre alt) und übernehme keine Hilfe zur ...