Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Integrationshelfer als Begleitperson für den Schulweg. kein Anspruch auf Schülerbeförderung. Besuch einer privaten Ersatzschule außerhalb des Schulbezirks. einstweiliger Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Es besteht kein Anordnungsanspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe für die Begleitung eines Schülers mit wesentlicher Behinderung auf dem Schulweg durch einen Integrationshelfer, soweit die Schule nach dem Landesschulrecht als private Ersatzschule nur im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung auf Wunsch der Eltern besucht wird und die Voraussetzungen der Schülerbeförderung aufgrund der Entfernung zwischen Wohnort und Schule nicht erfüllt sind.
Orientierungssatz
Eine nach § 41 Abs 1 S 3 SchulG ST erteilte Ausnahme von der Verpflichtung, die Schule zu besuchen, in deren Schulbezirk ein Schüler wohnt, stellt keine Anordnung iS des § 71 Abs 2 S 5 SchulG ST dar (vgl OVG Magdeburg vom 17.4.2013 - 3 L 675/12). Die mit einer solchen Ausnahmegenehmigung besuchte Schule gilt damit nicht als nächstgelegene Schule iS des § 71 Abs 2 S 2 SchulG ST, für deren Besuch ein Anspruch auf Schülerbeförderung besteht.
Normenkette
SchulG ST § 71 Abs. 2 S. 2; SchulG LSA § 41 Abs. 1 S. 3, § 71 Abs. 1, 2 S. 5; SGB XII § 2 Abs. 1, § 53 Abs. 1 S. 1, § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, §§ 85, 87, 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 97 Abs. 2, § 98 Abs. 1 S. 1; SGB IX § 55 Abs. 1-2; SGB X § 32; SGG § 75 Abs. 5, § 86b Abs. 2 Sätze 1-2; VwGO § 40 Abs. 1; ZPO §§ 920-921, 923, 926, 928, 929 Abs. 1, 3, §§ 930-932, 938-939, 945; Eingliederungshilfe-VO §§ 2, 12 Nr. 1
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 2. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller (im Folgenden: Ast.) verfolgt mit seiner Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für die Begleitung durch einen Integrationshelfer während des Schulweges im Rahmen von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).
Der am 16. Mai 2001 geborene Ast. lebt bei seinen Eltern. Nach der amtsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. M. vom 19. Juni 2014 leidet der Ast. an einer tuberösen Sklerose. Es handele sich um eine genetische Erkrankung mit Fehlbildungen und Tumoren des Gehirns und anderer Organe, Hautveränderungen, einem Krampfanfallsleiden und einer kognitiven Behinderung. Es bestehe leitsymptomatisch eine wesentliche geistige Behinderung im Sinne des SGB XII. Die Integrationshelferin habe berichtet, der Ast. spiele bei den Fahrten zur Schule oft am Verschluss des Sicherheitsgurtes, sodass der Ast. dann ungesichert im Pkw sitze. Der Ast. benötige während der Fahrten auch Hilfestellung beim Urinieren. Es sei gutachterlicherseits nachvollziehbar, dass der Ast. bei einem mehr als einstündigen Schultransport pro Fahrstrecke eine Begleitperson benötige, die ihn heilpädagogisch betreue. Bei einer kürzeren Fahrt zur Schule - z.B. zu einer Schule in der Stadt N. - wäre eine Begleitperson nicht erforderlich. Bei dem Ast. sind seit dem 4. Dezember 2002 ein Grad der Behinderung von 50 (ohne Merkzeichen) anerkannt. Er bezieht Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I.
Der Ast. besuchte ab August 2008 den gemeinsamen Unterricht in der Grundschule in freier Trägerschaft "M." in W. (seit 2010 in N.) nach den Rahmenrichtlinien der Förderschule für geistig behinderte Menschen für insgesamt sechs Schulbesuchsjahre. Für die Beschulung war nach den Bescheiden des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt die Unterstützung durch einen Integrationshelfer notwendig, um die Eingliederung des Ast. in die Grundschule zu ermöglichen. Der B. bewilligte dem Ast. im Namen des Ag. für die Zeit vom 25. August 2008 bis zum 31. Januar 2009 Eingliederungshilfe in Form eines Persönliches Budgets mit einem Auszahlungsbetrag in Höhe von 895,68 EUR, der auf der Grundlage der Kosten für einen Integrationshelfer zur Begleitung des Ast. während des Schulbesuchs festgelegt wurde. Nach der Zielvereinbarung vom 11. September 2008 war der Transport des Ast. von der Wohnung zur Schule von der Begleitung nicht mehr umfasst.
Ab dem 1. Februar 2009 nahm der Ast. die Leistungen eines Integrationshelfers über die Lebenshilfe in N. als Sachleistung in Anspruch. In der Folgezeit wurden von dem Ag. für das Schuljahr 2008/2009 ab dem 1. Februar 2009 63,85 EUR pro Schultag (12,77 EUR/Stunde bei fünf Schulstunden) übernommen (Bescheid vom 25. März 2009). Mit Schreiben vom 24. April 2009 wandte der Ast. gegen die erfolgte Bewilligung ein, die Begleitung auf dem Schulweg sei hiervon nicht erfasst. Gerade den Schulweg könne er ohne begleitende Hilfe nicht bewältigen. Die Lebenshilfe teilte dem Ag. mit Schreiben vom 18. August 2009 mit, dem Ast. eine Begleitung für den Schulweg von 60 Minuten pro Schultag mit dem vereinbarten...