Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnungsgesuch. Besorgnis der Befangenheit. Dienstliche Äußerung. Kostenvorschuss
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
2. In einer dienstlichen Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO haben Ausführungen zur Zulässigkeit oder Begründetheit des Ablehnungsgesuchs grundsätzlich zu unterbleiben. Allerdings kann der Richter mit der gebotenen Zurückhaltung einen zur Ablehnung führenden Vorgang auch wertend beurteilen.
Normenkette
SGG § 60 Abs. 1, § 109; ZPO § 42 Abs. 2, § 44 Abs. 3
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Ablehnung der Richterin am Sozialgericht Tappel wegen der Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.
Gründe
I.
In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nachdem die Beklagte den Rentenantrag des Klägers vom 6. Mai 2008 mit Bescheid vom 19. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2009 abgelehnt hatte, hat der Kläger hiergegen am 22. Oktober 2009 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Diese hat er mit Schriftsatz vom 20. Januar 2010 - Eingang 21. Januar 2010 - begründet und gleichzeitig den Antrag gestellt, nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Prof. Dr. S. ein Gutachten einzuholen.
Das Sozialgericht hatte bereits mit Verfügung vom 18. November 2009 einen Befundbericht von der Hausärztin Dr. M. eingeholt und nach dessen Eingang bei Gericht am 21. Januar 2010 hat es von den im Bericht genannten Fachärzten für Orthopädie und Psychiatrie weitere Befundberichte angefordert. Nach Eingang dieser Berichte und deren Auswertung durch die Beklagte hat die Kammervorsitzende, die Richterin am Sozialgericht Tappel, den Kläger mit Schreiben vom 21. Juni 2010 gebeten, für den Fall der Aufrechterhaltung seines Antrages nach § 109 SGG bis zum 30. Juli 2010 einen Gutachterkostenvorschuss in Höhe von 1.500,00 EUR einzuzahlen. Mit dem am Freitag, dem 25. Juni 2010, eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger um Mitteilung der Bankverbindung gebeten, an die der Vorschuss eingezahlt werden solle. Nach Vorlage des Schriftsatzes am Montag, den 28. Juni 2010, hat die Kammervorsitzende mit Verfügung vom Dienstag, den 29. Juni 2010, die förmliche Kostenanforderung unter Angabe der Bankverbindung und des Verwendungszwecks an den Kläger veranlasst. Nachdem der Kläger ebenfalls am 29. Juni 2010 fernmündlich in der Geschäftsstelle um die Mitteilung der Bankverbindung gebeten hatte, ist ihm ausweislich des in der Gerichtsakte befindlichen Telefonvermerks zugesagt worden, sich am gleichen Tag noch zu melden, woraufhin die Geschäftsstelle dem Kläger die förmliche Kostenanforderung dann um 13.38 Uhr an diesem 29. Juni 2010 per Telefax übermittelt hat.
Am 29. Juni 2010 um 13.00 Uhr hat der Kläger mit Telefax die Richterin am Sozialgericht Tappel wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Richterin habe ihm nicht mitgeteilt, auf welches Konto und unter welchem Aktenzeichen der Vorschuss einzuzahlen sei. Er habe telefonisch vergeblich versucht, die Kontonummer zu erfragen. Es sei anzunehmen, die Richterin wolle die Begutachtung nach § 109 SGG wegen nichtgezahlten Vorschusses nicht in Auftrag geben. Die Untätigkeit der abgelehnten Richterin vom 21. Juni 2010 und die fehlende Reaktion auf das Schreiben des Antragstellers vom 24. Juni 2010 erweckten den Eindruck, die Richterin habe sich schon vor der Beweisaufnahme endgültig festgelegt.
Die von dem Ablehnungsgesuch betroffene Richterin hat zu dem Gesuch des Klägers unter dem 26. Juli 2010 folgende dienstliche Äußerung abgegeben:
"Die Vorsitzende hält sich nicht für befangen.
Es liegt kein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Ein objektiv vernünftiger Grund, der dem Kläger von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, die Vorsitzende der 13. Kammer werde nicht unparteiisch entscheiden, ist meines Erachtens bereits deshalb nicht ersichtlich, weil der Kläger ohne erkennbaren Anlass und ohne Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes während des laufenden Klageverfahrens schriftlich lediglich einen Antrag auf Richterablehnung gem. § 42 ZPO wegen Befangenheit der Richterin stellte. Mit Verfügung vom 21.06.2010 hat die Vorsitzende angefragt, ob nach den eingeholten Befundberichten an der Antragstellung gemäß § 109 SGG festgehalten wird, und eine Zahlungsfrist bis zum 30.07.2010 gewährt. Auf die Bitte des PB (Schreiben vom 24.6.2010) hat die Vorsitzende am 28.06.2010 alle notwendigen Angaben zur Einholung des beantragten Gutachtens mitgeteilt. Im Übrigen ist der Kostenvorschuss bereits am 30. 06. 2010 eingegangen.
Im Hinblick auf einen zügigen Fortgang des Rechtsstreits wird höflichst gebeten, alsbald über das Ablehnungsgesuch des Klägers zu entscheiden."
Der Kläger hat am 18. August 2010 zur dienstlichen Äußerung Stellung genommen. Er ha...