Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.
2. Hat sich der Kläger bei Stellung eines Antrags nach § 109 SGG rechtlich widersprüchlich und sprachlich unklar ausgedrückt und damit selbst die Ursache für ein bei dem Richter entstandenes Missverständnis gesetzt, so bietet dies aus Sicht eines objektiven Beteiligten keinen Anlass zum Misstrauen gegen den Richter.
3. Bei Anordnung des persönlichen Erscheinens durch den Richter ist nach § 111 Abs. 1 SGG auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Ein prozessrechtlich korrektes Vorgehen kann nicht zur Besorgnis der Befangenheit führen.
4. Äußert sich der Richter in einer dienstlichen Stellungnahme zur Besorgnis seiner Befangenheit, obwohl er für die Frage der Begründetheit des Ablehnungsgesuchs nicht zuständig ist, so schafft dies kein mögliches Misstrauen gegen seine Unvoreingenommenheit. Die Kundgabe des Richters, er halte sich nicht für befangen, ist nicht von rechtlicher Relevanz.
Tenor
Der Antrag der Klägerin vom 25. April 2011 auf Ablehnung der Richterin B. wegen Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.
Gründe
I.
Gegenstand der Entscheidung ist die Ablehnung der Vorsitzenden der 15. Kammer des Sozialgerichts (SG) H., Richterin B., wegen Besorgnis der Befangenheit.
In der Hauptsache begehrt die Klägerin neben der Anerkennung des Todes ihres Ehemannes als Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung auch die Gewährung einer Verletztenrente sowie Hinterbliebenenleistungen.
Mit Bescheid vom 12. Juli 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit bei dem Verstorbenen ab. Nachdem die Klägerin hiergegen Widerspruch erhoben hatte, holte die Beklagte, unter Überlassung von in Paraffin gebetteter Lungengewebeproben, welche von dem Verstorbenen stammen sollen, die Stellungnahme des Chefarztes des Pathologischen Instituts der Städtischen Klinik F. Prof. Dr. K. vom 10. Januar 2002 ein, der eine histologische Untersuchung des Gewebes vornahm.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2002 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Mit der am 13. Juni 2002 vor dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 6 U 136/02 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Am 10. Januar 2003 hat sie den Antrag gestellt, von Prof. Dr. Dr. S. ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einzuholen und leistete hierfür am 17. Januar 2003 den geforderten Vorschuss in Höhe von 1.000 EUR. Im April 2003 hat der damalige Vorsitzende der 6. Kammer darauf hingewiesen, die Einholung des Gutachtens nach § 109 SGG werde zurückgestellt, weil noch Ermittlungen von Amts wegen vorgenommen würden und den Zeugen Dr. R. um schriftliche Beantwortung mehrerer Fragen gebeten.
Im Erörterungstermin am 27. Januar 2005 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt, er sei der Auffassung, das Gutachten von Prof. Dr. K. unterliege dem Verwertungsverbot, weil die Klägerin einer Übermittlung von geschützten Daten nicht zugestimmt habe. Es bestehe aber Einverständnis, dass die vorhandenen Schnittpräparate und bildgebenden Befunde Gegenstand einer weiteren Begutachtung werden können.
Am 15. Februar 2005 hat die Klägerin beantragt festzustellen, dass das Gutachten des Prof. Dr. K. dem Verwertungsverbot unterliege. Mit Schreiben an die Beklagte vom 17. August 2005 hat der damalige Vorsitzende der 6. Kammer des Sozialgerichts Halle, Richter am Sozialgericht P., diese Auffassung geteilt.
Nachdem das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 12. September 2006 die Selbstablehnung des damaligen Vorsitzenden der 6. Kammer für begründet gehalten hat, hat zunächst die Richterin Dr. E. den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 15 U 136/02 fortgeführt. Diese hat mit Beweisanordnung vom 4. Mai 2007 Prof. Dr. T. vom Institut für Pathologie der R.-Universität B. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In der Vorbemerkung zu den Beweisfragen hat sie darauf hingewiesen, dass das Gutachten von Prof. Dr. K. nach "derzeitiger Prüfung der Sach- und Rechtslage" möglicherweise unverwertbar sei, so dass es im Rahmen der "jetzigen Begutachtung" nicht herangezogen werden sollte.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2007 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Meinung vertreten, dass das Gutachten von Prof. Dr. K. wegen des Verwertungsverbotes vor der Versendung der Akten an Prof. Dr. T. aus der Akte zu entfernen sei.
Unter dem 13. Juni 2007 hat Prof. Dr. T. das fachpathologische Gutachten erstattet. Auf Anfrage der Richterin Dr. E., ob ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt werden solle, teilte der Prozessbev...