Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Verletzung von Mitwirkungspflichten bei der Antragstellung. Anforderungen an die Begründung einer Mitwirkungspflicht, aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Versagungsbescheid wegen fehlender Mitwirkung
Orientierungssatz
1. Die Feststellung der Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB 2 setzt voraus, dass dem Antragsteller konkrete Mitwirkungshandlungen aufgegeben worden sind, die er nicht erfüllt hat. Allgemeine oder pauschale Mitwirkungsaufforderungen können dagegen keine Mitwirkungspflichtverletzung begründen.
2. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Versagungsbescheide wegen fehlender Mitwirkung bei der Anspruchsermittlung gemäß § 66 SGB I bezüglich von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende haben entsprechend § 39 Abs. 1 SGB 2 keine aufschiebende Wirkung (Fortführung LSG Halle Bes. v. 24.09.2010, Az. B 5 AS 36/10 B ER, entgegen LSG Darmstadt, Bes. v. 27.12.2010, Az. L 9 AS 612/10 B ER).
3. Einzelfall zum Umfang der Mitwirkung im Rahmen der Bewilligung von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB 2 und zur Interessenabwägung im einstweiligen Rechtschutzverfahren über die Leistungsgewährung.
Tenor
Die Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. März 2011 werden aufgehoben.
Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche beziehungsweise Klagen gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 22. Dezember 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. April 2011 und vom 31. März 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 wird angeordnet.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 17. Januar 2011 vorläufig Regelleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von 364,00 EUR sowie für den Zeitraum vom 17. Januar 2011 bis 30. April 2011 die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 650,00 EUR/Monat und für den anschließenden Zeitraum in Höhe von 470,00 EUR/Monat, jeweils bis zum 31. Januar 2012 zu zahlen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für beide Instanzen unter Beiordnung von Rechtsanwältin G. bewilligt.
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Er wendet sich gegen zwei Beschlüsse des Sozialgerichts Magdeburg (SG), das seine Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt hat.
Der Antragsteller ist im August 1955 geboren und nach eigenen Angaben Schriftsteller. Er stand zunächst ab Januar 2005 mit seiner Ehefrau und seinen drei Töchtern in zwei Bedarfsgemeinschaften im Leistungsbezug nach dem SGB II. Unter dem 25. Juni 2007 teilte er dem Jobcenter T ... -S. mit, dass er und seine Familie wegen einer Abschlagszahlung auf eine Erbschaft in Höhe von 150.000,00 EUR nicht mehr bedürftig seien. Daraufhin wurden die Zahlungen eingestellt.
Im Juni 2008 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen nach SGB II. Er gab an, er lebe seit Mai 2008 getrennt von seiner Ehefrau und den Kindern. Seitdem wohne er in einer Wohnung von 85,00 m² bei einer Gesamtmiete von 650,00 EUR inklusive Garage (später 620,00 EUR). Den Umstand, dass der Erbfall noch nicht abgewickelt war, gab er nicht an. Der Antragsgegner lehnte eine Leistungsgewährung ab; hiergegen ging der Antragsteller erfolgreich im Wege des einstweiligen Rechtschutzes vor (S 24 AS 2548/08 B ER) und erhielt vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 1. September 2008 bis 28. Februar 2009 bewilligt. Im Januar 2009 flossen ihm aus jenem Erbfall weitere 63.333,33 EUR zu. Die Leistungen nach dem SGB II wurden zum Januar 2009 eingestellt, da er angegeben hatte, ein Stipendium erhalten zu haben.
Am 9. August 2010 beantragte der Antragsteller erneut Leistungen nach dem SGB II, wobei er angab, bis zum 31. August 2010 ein Stipendium zu beziehen. Weiter legte er dar, im Jahre 2009 einen Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit von insgesamt 6.440,68 EUR und vom 1. Januar bis 31. Juli 2010 iHv. 4.555,13 EUR erzielt zu haben. Er fügte diverse Überweisungen und Unterlagen bei und erstellte eine längere Auflistung über seine Ausgaben in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis 8. August 2010 in Höhe von insgesamt rund 53.000,00 EUR.
Mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 verlangte der Antragsgegner die Vorlage aller Kontoauszüge und sowie die Vorlage der Sparbücher der Kinder sowie Nachweise zum Verbrauch des Geldes. Dem kam der Antragsteller nur teilweise nach. Unter dem 11. November 2010 teilte der Antragsgegner mit, der Antragsteller sei der Mitwirkungsaufforderung nachgekommen; die vorgelegten Nachweise reichten aber nicht aus. Er forderte den Antragsteller letztmalig auf, ihm Nachweise für folgende Vorgänge zu erbringen:
(1) Rückzahlung eines Überbrüc...