Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Beruhen der Abhilfeentscheidung auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse erst nach Widerspruchseinlegung. Widerspruch statt Neuantrag. keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob eine Pflegekasse die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erstatten hat, wenn es nach einem Widerspruch zu einer erneuten und für den Versicherten erfolgreichen MDK-Begutachtung kommt, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Das BSG hat diese Frage bereits geklärt (vgl zusammenfassend BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 35/10 R = SozR 4-1300 § 63 Nr 16).

 

Normenkette

SGG § 144 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 145 Abs. 1 S. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 193 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beschwerdegegnerin.

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Beklagte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erstatten hat.

Die am ... 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten pflegeversichert und beantragte am 30. Januar 2009 Leistungen bei häuslicher Pflege. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Erstellung eines Pflegegutachtens. Die Pflegefachkraft K. stellte im Pflegegutachten vom 26. Februar 2009 (Untersuchung vom 25. Februar 2009) einen Grundpflegebedarf von 32 Minuten und in der Hauswirtschaft von 45 Minuten fest und hielt die Voraussetzungen der Pflegestufe I für nicht gegeben. Mit Bescheid vom 3. März 2009 lehnte die Beklagte Leistungen ab. Dagegen richtete sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 6. März 2009. Am 20. April 2009 wandte sich die Klägerin, nunmehr anwaltlich vertreten, nochmals gegen den Bescheid und begründete den Widerspruch: Die Beklagte habe pflegeerschwerende Gründe für die Verrichtungen Körperpflege, Ernährung und Mobilität ebenso wie einen nächtlicher Hilfebedarf nicht hinreichend berücksichtigt. Zusammenfassend betrage der Gesamtgrundpflegebedarf tatsächlich 117 Minuten. In einem von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten vom 12. Juni 2009 hielt die Pflegefachkraft G. ab Mai 2009 die Pflegestufe I für gegeben und schätzte den Grundpflegebedarf mit 51 Minuten und den für die Hauswirtschaftsbedarf mit 50 Minuten ein. Hiergegen machte die Klägerin geltend: Bereits im März 2009 hätten die Voraussetzungen der Pflegestufe I vorgelegen. Der stationäre Aufenthalt im April 2009 habe sie nur zusätzlich geschwächt. In einem von der Beklagten eingeholten MDK-Gutachten nach Aktenlage vom 3. Juli 2009 führte die Pflegefachkraft G. aus, der Grundpflegebedarf habe sich nach dem Klinikaufenthalt wegen des massiven Gewichtsverlustes (fast 20 kg) und des damit eingetretenen Kräfteverlusts deutlich erhöht. Im Februar 2009 habe die Klägerin noch selbständig die Toilette aufsuchen können und sei ausreichend gehfähig gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2009 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und gewährte Leistungen der Pflegestufe I bereits ab dem 25. April 2009. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens seien dagegen nicht zu erstatten. Schließlich seien die Voraussetzungen für den Leistungsbezug erst im Widerspruchsverfahren eingetreten. Die ursprüngliche Entscheidung der Beklagten sei daher zunächst rechtmäßig gewesen. Statt einen neuen Antrag zu stellen, habe die Klägerin Widerspruch eingelegt. Diese Kosten seien allein dadurch verursacht worden, dass anstelle eines Neuantrages ein Widerspruch eingelegt worden sei.

Die Klägerin hat am 14. September 2009 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) mit dem Antrag erhoben, die angegriffenen Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie die Kosten in Höhe von 523,60 EUR für die anwaltliche Vertretung im Widerspruchsverfahren zu erstatten sowie die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Entgegen der Ansicht der Beklagten habe die Klägerin die anwaltlichen Kosten nicht selbst verschuldet, sondern lediglich von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht. Zu einer erneuten Antragstellung sei sie nicht verpflichtet. Bei der Prüfung des § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) komme es auf die Entscheidung der Widerspruchsbehörde an. Ist dem Widerspruch vollständig oder teilweise abgeholfen worden, bestehe auch ein Kostenerstattungsanspruch des Widerspruchsführers.

Die Beklagte hat an ihrer bisherigen Rechtsaufassung festgehalten.

Das SG hat mit Urteil vom 29. November 2012 den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. August 2009 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten sowie die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts für...

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