Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Abwrack- bzw Umweltprämie. zweckbestimmte Einnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Die Umweltprämie ist eine zweckbestimmte Einnahme iS von § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2.
2. Der Umstand, dass der Begünstigte erst nach der Vermögensumschichtung durch Verschrottung eines Alt-Pkw und Erwerb eines Neu-Pkw mit der Zuwendung prämiert wird und diese ohne Bindung verwenden kann, steht der Anwendung von § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 nicht entgegen, weil die Gewährung der Zuwendung mit einer erkennbaren Zweckbestimmung erfolgt.
3. Die besondere Zweckrichtung der Leistung würde verfehlt, wenn die Umweltprämie berücksichtigungsfähiges Einkommen darstellte. Die Zweckbestimmung der Zuwendung ist nur erreichbar, wenn der Zuwendungsbetrag nicht vorrangig zum Bestreiten des Lebensunterhaltes einzusetzen ist. Denn ansonsten würde die Prämie wirtschaftlich ausschließlich dem Sozialleistungsträger zugute kommen und nicht dem Zuwendungsempfänger.
4. Jedenfalls dann, wenn aufgrund der konkreten Vertragsgestaltung die Prämie zur Erfüllung der Kaufpreisforderung direkt dem Verkäufer zufließt, beeinflusst sie die Lage des Empfängers nicht so günstig, dass daneben Leistungen nach dem SGB 2 nicht mehr gerechtfertigt wären.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die am ... 1971 geborene Antragstellerin bezieht von der Antragsgegnerin laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Am 28. Januar 2009 bestellte die Antragstellerin bei einem Autohaus in E…. einen Personenkraftwagen (Pkw) der Marke “Kia„, Typ “Picanto LX„ mit einer “Tageszulassung„ im Januar 2008 zum “Hauspreis„ von 8.700,00 €. Zusammen mit der Bestellung beauftragte die Antragstellerin das Autohaus, in ihrem Namen einen Zuschuss (die sogenannte Umweltprämie) nach der Richtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom 20. Februar 2009 über die Förderung des Absatzes von Pkw (Umweltprämie) zu beantragen, wobei die Überweisung des Zuschussbetrages direkt auf ein Konto des Autohauses erfolgen sollte. Einen Nachweis über die Verwertung (= Verschrottung) ihres alten Pkw (einen Pkw Opel Corsa mit Erstzulassung im Jahre 1992) fügte die Antragstellerin für den Antrag bei. Hinsichtlich der Bezahlung des Kaufpreises für das bestellte Fahrzeug vereinbarte die Antragstellerin mit dem Autohaus, dass ein Teilbetrag von 2.500,00 € mit dem beantragten Zuschuss verrechnet werden und der restliche Kaufpreis bar gezahlt werden sollte. Für den Fall der Nichtzahlung des Zuschusses verpflichtet sich die Antragstellerin zur Zahlung des Betrages von 2.500,00 € an das Autohaus. Den Anspruch auf den beantragten Zuschuss trat die Antragstellerin an das Autohaus ab. Auf dieser Basis kam zwischen der Antragstellerin und dem Autohaus ein Kaufvertrag zustande und der Pkw wurde der Antragstellerin übergeben und sie als Halterin in den Fahrzeugschein und den Kraftfahrzeugbrief eingetragen.
Mit Bescheid vom 23. April 2009 bewilligte das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle der Klägerin “für die Verschrottung des Altfahrzeuges … und den Erwerb des Neufahrzeuges„ einen Zuschuss in Höhe von 2.500,00 €, der auf das angegebene Konto des Autohauses überwiesen wurde (wegen der näheren Einzelheiten des Bewilligungsbescheides wird auf Blatt 387 der Verwaltungsakten Bezug genommen). Den Restkaufpreis von 6.200,00 € zahlte die Antragstellerin vereinbarungsgemäß an das Autohaus. Zu diesem Zweck hatte die Antragstellerin 4.700,00 € von ihrem Girokonto abgehoben. Einen Betrag von 1.500,00 € hatte die Antragstellerin von einer privaten Darlehensgeberin (ihrer Tante) erhalten.
Mit einem Bescheid vom 8. Juli 2009 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragsstellerin für den Zeitraum vom 1. August bis zum 30. September 2009 auf einen Fortzahlungsantrag hin Leistungen in einer monatlichen Höhe von 88,91 € (statt bisher 588,91 € monatlich). Dabei ging die Antragsgegnerin von einem monatlichen Bedarf der Antragstellerin von 588,91 € aus (359,00 € Grundbedarf und 229,91 € für Unterkunfts- und Heizkosten) und setzte davon anzurechnendes Einkommen in Höhe von 500,00 € monatlich ab. Dabei berücksichtigte die Antragsgegnerin monatliches Einkommen der Antragstellerin aus einer Beschäftigung in Höhe von 70,00 € netto monatlich und 500,00 € im Monat anteilig für den der Klägerin vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bewilligten Zuschuss (= der Umweltprämie) und kam nach Absetzung von Freibeträgen - rechnerisch nicht nachvollziehbar - zu einer Anrechnungssumme von genau 500,00 € monatlich.
Die Antragstellerin hat am 22. Juli 2009 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Halle (SG) gestellt und zugleich Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. Juli 2009 erhoben. Sie hat den Antrag gestellt, die...