Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. darlehensweise Übernahme von Mietschulden. fristlose Kündigung der Wohnung. Räumungstitel. Abschluss eines neuen Mietvertrags. Verzichtserklärung des Vermieters auf Zwangsräumung. Ermessensprüfung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Übernahme von Mietschulden ist nur gerechtfertigt iS von § 22 Abs 5 SGB 2, wenn sie zur Sicherung der bisherigen Unterkunft geeignet ist. Sie ist nicht geeignet, wenn ihre Begleichung nicht mehr zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung gem § 569 Abs 3 Nr 2 BGB führen kann. Dies gilt erst recht, wenn bereits ein rechtskräftiger Räumungstitel vorliegt.
2. Ausnahmsweise kann trotz eines rechtskräftigen Räumungstitels die Schuldenübernahme gerechtfertigt sein, wenn der Vermieter sich für diesen Fall bereit erklärt, einen neuen Mietvertrag abzuschließen. Nicht ausreichend ist eine Erklärung des Vermieters, nach Verpflichtung des Grundsicherungsträgers auf künftige Übernahme aller Mietkosten vorläufig auf die Vollstreckung des Räumungstitels verzichten zu wollen.
3. Ist die Übernahme von Mietschulden nicht gerechtfertigt, hat eine Ermessensprüfung nicht mehr stattzufinden. Auch die Gründe für das Entstehen der Mietrückstände sind dann nicht relevant.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das seinen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz auf Bewilligung eines Darlehens i.H.v. 5.246,31 € für die Begleichung von Mietschulden abgelehnt hat.
Der am ... 1953 geborene Beschwerdeführer bewohnt seit dem 1. Juli 2006 eine 35 m² große Wohnung. Ausweislich des Mietvertrages vom 28. April 2006 beträgt die Grundmiete monatlich 175,00 € und die Vorauszahlungen für Heizung/ Warmwasser sowie für die übrigen Betriebskosten jeweils 35,00 €. Das Mietverhältnis wurde vom Vermieter unter dem 17. Februar 2009 fristlos gekündigt und der Beschwerdeführer zur Räumung der Wohnung sowie zur Zahlung eines Mietrückstandes in Höhe von 1.415,00 € aufgefordert. Mit Schreiben vom 14. April 2009 erhob der Vermieter Klage beim Amtsgericht Aschersleben auf Zahlung rückständiger Miete für die Zeit von Oktober 2007 bis Februar 2009, Herausgabe der Wohnung sowie Zahlung weiterer Nutzungsentschädigung ≪ … (…)≫. Der Beschwerdeführer wurde durch Versäumnisurteil vom 12. Juni 2009 antragsgemäß verurteilt, an den Vermieter 1.275,00 € nebst Zinsen sowie ab April 2009 bis zur Herausgabe der Wohnung eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 245,00 € zu zahlen. Des Weiteren wurde er zur Räumung der Wohnung und Herausgabe sämtlicher in seinem Besitz befindlicher Schlüssel verurteilt. Auf den Einspruch des Klägers wurde das Verfahren fortgesetzt. Mit Urteil des Amtsgerichts Aschersleben vom 29. September 2009 wurde das Versäumnisurteil aufrecht erhalten und der Beschwerdeführer darüber hinaus verurteilt, weitere 448,82 € nebst Zinsen (Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007) zu zahlen. Nach dem Urteil habe der Beschwerdeführer in dem Zeitraum von Dezember 2007 bis Oktober 2008 insgesamt 2.370,00 € gezahlt (= 215,45 €/Monat). Diese Zahlungen habe der Vermieter gemäß § 366 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit Mietschulden aus anderen Monaten verrechnet. Das am 20. Oktober 2010 verkündete Urteil ist rechtskräftig geworden. Der Vermieter hat mit Schreiben vom 27. Oktober 2009 die Begleichung der bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Kosten in Höhe von 3.489,21 € sowie die Räumung der Mietsache bis zum 10. November 2009 verlangt.
Der Beschwerdeführer bezieht seit dem 1. September 2006 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.H.v. 297,32 €/Monat ab dem 13. Februar 2008. Er hatte zuletzt bis 31. Juli 2007 Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erhalten. Er war nach seinen Angaben selbstständig tätig als Dachdecker/Holzbauer und stellte am 4. Februar 2008 einen Insolvenzantrag.
Der Beschwerdeführer erhält seit dem 13. Februar 2008 laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Dabei erbrachte die Beschwerdegegnerin monatliche Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) gemäß § 22 Abs. 1 SGB II i.H.v. 238,70 € bzw. 238,67 € (Heizkosten abzüglich Warmwasseranteil). Der Beschwerdeführer gab in seinen Leistungsanträgen den Rentenbezug nicht an. Nach Kenntniserlangung forderte die Beschwerdeführerin mit bestandskräftigem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Mai 2009 zu Unrecht bewilligte Leistungen i.H.v. 4.183,23 € zurück und kündigte an, diese künftig mit 30,00 € /Monat mit den laufenden Leistungen zu verrechnen.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 beantragte der Beschwerdeführer wegen der Kündigung des Mietverhältn...