Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Verletzung der Anhörungspflicht vor Erlass eines Gerichtsbescheid. Verschaffung von rechtlichem Gehör durch Antrag auf mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verletzung der Anhörungspflicht vor Erlass eines Gerichtsbescheids (§ 105 Abs 1 S 2 SGG) stellt keinen zur Zulassung der Berufung berechtigenden Verfahrensmangel dar. Der Unterlegene kann seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nur mit dem Antrag auf mündliche Verhandlung gem § 105 Abs 2 S 2 SGG zu verfolgen.

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 27. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle (SG) vom 27. Januar 2014. In der Sache streiten die Beteiligten über Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die Klägerin steht seit längerem beim Beklagten im Bezug von SGB II-Leistungen und bewohnte zusammen mit ihrem Enkelsohn ein Wohnhaus, dessen Eigentümer zu gleichen Teilen sie und ihr geschiedener Mann waren. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 bewilligte ihr der Beklagte - wegen einer selbstständigen Tätigkeit vorläufig - Leistungen i.H.v. 374 EUR, wobei er ausschließlich den Regelbedarf berücksichtigte. Am 10. Januar 2012 verzogen die Klägerin und ihr Enkelsohn in eine Mietwohnung im selben Ort, für die insgesamt 350 EUR aufzubringen waren. Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 teilte sie dem Beklagten mit: Sie stehe seit 2009 im gerichtlichen Streit mit ihrem geschiedenen Mann. Sie habe mit diesem gemeinsam ein Haus gebaut, in dem sie bisher wohne. Im Sommer 1990 sei er ausgezogen, stehe aber noch im Grundbuch und habe nun Rechte auf die Hälfte des Hauses erhoben. Am Haus habe er kein Interesse, wolle aber ausgezahlt werden. Da sie dazu nicht in der Lage sei, sei es inzwischen zu drei Zwangsversteigerungsterminen gekommen, bei denen sich jedoch kein Interessent gefunden habe. Nun wolle er eine Nutzungsentschädigung i.H.v. 350 EUR monatlich ab 1. Januar 2010. Da sie auch diese nicht zahlen könne, sei sie ausgezogen und wohne seit dem 10. Januar 2012 zur Miete.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2012 hörte der Beklagte die Klägerin wegen einer Aufhebung der Bewilligung an und teilte mit: Nach § 22 Abs. 1 SGB II würden Unterkunftskosten nach einem nicht erforderlichen Umzug nur in bisheriger Höhe übernommen, sodass die anfallenden Mietkosten nicht übernommen werden könnten. Zudem stelle eine nicht selbst genutzte Immobilie grundsätzlich zu berücksichtigendes Vermögen dar. Eine Verwertung sei vorrangig. Sollte diese nicht sofort möglich sein, könnten Leistungen nach dem SGB II als Darlehen erbracht werden. Zur Vermeidung (weiterer) Überzahlungen und (weiterer) Erstattungsforderungen sei die laufende Zahlung vorläufig eingestellt worden. Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Februar 2012 "Widerspruch". Sie habe seit Januar 2010 Schulden infolge der Nichtzahlung der Nutzungsentschädigung angehäuft und sei daher überstürzt ausgezogen. Wäre sie noch länger im Haus geblieben, wären diese Schulden angewachsen. Sie selbst habe vergeblich versucht, das Haus zu verkaufen.

Mit Bescheid vom 9. März 2012 hob der Beklagte den Bescheid vom 22. Dezember 2011 ab 10. Februar 2012 wegen die Freibeträge übersteigenden Vermögens ganz auf. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag bewilligte der Beklagte für den Zeitraum von 1. März bis 30. Juni 2012 Leistungen i.H.v. wiederum 374 EUR monatlich als Darlehen. Zur Begründung führte er aus: Die Klägerin habe nachgewiesen, dass der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von grundsätzlich zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich sei oder eine besondere Härte bedeuten würde. Hinsichtlich der KdU teilte er mit, dass diese infolge des nicht erforderlichen Umzugs nur in bisheriger Höhe anerkannt würden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20. März 2012 Widerspruch. Zur Begründung wiederholte sie teilweise ihr Vorbringen aus der Anhörung und ergänzte: Bislang habe sie sich nicht mit Mietangelegenheiten konfrontiert gesehen und sich deshalb nicht damit auseinandergesetzt. Selbst wenn der Beklagte die 350 EUR Nutzungsentschädigung an den geschiedenen Mann gezahlt hätte, wäre das für ihre persönliche Situation keine Lösung gewesen. Sie wäre damit eine ständige Geldquelle für diesen gewesen und er hätte sich aufgrund dessen niemals aus dem Grundbuch austragen lassen. Statt der 350 EUR Nutzungsentschädigung könne der Beklagte genauso gut die Miete für sie übernehmen, noch dazu, weil sie ja das Geld sowieso zurückzahle, sobald das Haus verkauft sei.

Mit Änderungsbesch...

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