Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Nichtanwendung bei Aufenthaltsrecht als sorgeberechtigter Elternteil eines Kindes in Ausbildung. Arbeitnehmereigenschaft bei berufsbedingter Trennung von den Kindern
Leitsatz (amtlich)
1. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II in der bis zum 28.12.2016 anzuwenden Fassung erfasst nicht die ihre Ausbildung fortsetzenden Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaat der Europäischen Union, der in der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, und auch nicht den für diese Kinder die elterliche Sorge tatsächlich ausübenden Elternteil. Für diese Personen ergibt sich ein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitsuche aus Art 10 VO (EU) Nr 492/2011 (juris: EUV 492/2011) (Anschluss an BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R = BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46).
2. Die berufsbedingte Trennung einer alleinerziehenden Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers während der Arbeitstage der Woche von ihren minderjährigen Kindern spricht nach den Umständen des Einzelfalls nicht dagegen, dass diese Person am Ort der Arbeitsstelle ernsthaft eine die Arbeitnehmereigenschaft begründende Erwerbstätigkeit ausübt.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Juli 2016 wird aufgehoben und der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2016, längstens bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, Leistungen zur Sicherung der Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches in gesetzlicher Höhe zu erbringen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) bzw. nach dem Zwölften Buch - Sozialhilfe (SGB XII).
Die am ... 1986 geborene Antragstellerin zu 1. ist in A. geboren und portugiesische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben im März 2013 nach Deutschland ein. Die am ... 2006 geborene Antragstellerin zu 2. und der am ... 2009 geborenen Antragsteller zu 3. sind die Kinder der Antragstellerin zu 1. und ebenfalls p. Staatsangehörige. Der Vater der Kinder hält sich nach den Angaben der Antragstellerin zu 1. in A. auf. Die Antragsteller bewohnen eine im Februar 2014 von der Antragstellerin zu 1. angemietete Wohnung in der ... in H. Für Unterkunft und Heizung sind monatlich 328,99 EUR aufzuwenden.
Vom 6. Mai bis 31. Juli 2013 war die Antragstellerin zu 1. als Helferin in einer Eisdiele in K. beschäftigt und vom 20. Juli 2014 bis zum 31. November 2014 war sie bei der Firma T. I. in ... L. geringfügig beschäftigt.
Dann war die Antragstellerin zu 1. vom 11. September 2015 bis ... 2015 bei der Firma K. G. GmbH in ... G. beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag war vereinbart, dass sie als Reinigungskraft in einem ...-Markt in der H.straße in K. jeweils montags bis samstags für 1,5 Stunden arbeiten sollte. Als Vergütung war ein Stundenlohn von 9,55 EUR vereinbart. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. Oktober 2015. Darüber hinaus war die Antragstellerin zu 1. vom 1. bis 31. Oktober 2015 als Küchenhilfe in einem Restaurant in P. (in der Nähe von K.) beschäftigt. Vereinbart war eine Arbeitszeit von 50 Stunden im Monat und eine Vergütung von 9 EUR pro Stunde. Dieses Arbeitsverhältnis endete ebenfalls durch eine Kündigung des Arbeitgebers. Aus diesen beiden Beschäftigungen erzielte die Antragstellerin zu 1. im Oktober 2015 Einkommen in Höhe von insgesamt 636,74 EUR (186,78 EUR als Reinigungskraft und 450 EUR als Küchenhilfe). Im November 2015 erzielte die Antragstellerin aus der Beschäftigung als Reinigungskraft ein Einkommen von 364,73 EUR.
Die Antragstellerin zu 2. ist Schülerin und besucht die Grundschule H. Straße in H ... Nach dem von dieser Schule erteilten Halbjahreszeugnis der 3. Schulklasse vom 29. Januar 2016 über den Schulbesuch im Schuljahr 2015/2016 erscheint die Antragstellerin zu 2. regelmäßig zum Unterricht. Der Antragsteller zu 3. hat noch bis Ende Juli 2016 den Kindergarten besucht und ist erst zu Beginn des neuen Schuljahres eingeschult worden. Die Antragsteller zu 2. und 3. erhalten Kindergeld in Höhe von jeweils 190,00 EUR im Monat.
Für den Zeitraum vom 1. August 2015 bis zum 30. April 2016 bezogen die Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe nach dem SGB II aufgrund einer vom Senat mit Beschluss vom 21. Januar 2016 im Verfahren L 2 AS 624/15 B ER ausgesprochenen Verpflichtung. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den den Beteiligten bekannten Beschluss hingewiesen. In dem vorgenannten Eilverfahren hat die Antragstellerin in einem von der damaligen Berichterstatterin am 5. No...