Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. rechtliches Gehör. Dauer der öffentlichen Sitzung. Entscheidungsverkündung am Ende des Sitzungstages. Anwesenheit der Beteiligten nicht erforderlich
Leitsatz (amtlich)
1. Die öffentliche Sitzung eines Sozialgerichts umfasst den gesamten Sitzungstag mit unter Umständen mehreren mündlichen Verhandlungen, so dass die Dauer der Sitzung von der Dauer einer mündlichen Verhandlung abweichen kann.
2. Die Anwesenheit der Beteiligten ist bei Verkündung eines Urteils am Ende des Sitzungstages nicht erforderlich.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG) und die Durchführung des Berufungsverfahrens zu ihrer Klage, mit der sie die Gewährung von 200 Euro für den Kauf von Stiefeln begehrt.
Die im Jahr 1970 geborene Klägerin lebt nach ihren Angaben seit dem Jahr 2010 in Deutschland. Im Jahr 2014 verzog sie aus H. nach D.-R ... Seit dem Jahr 2014 stand sie unter Betreuung. Das Amtsgericht D.-R. hob die Betreuung der Klägerin mit Beschluss vom 27.11.2015 auf und stellte ein neuerliches Betreuungsverfahren mit Beschluss vom 11.5.2016 ein, weil die Klägerin zwar nach dem Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie B. vom 28.10.2015 sicher an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie leidet, aber in der Lage ist, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, ohne dass eine konkrete Gefahr für ihren unmittelbaren Lebensunterhalt besteht. Die Gutachterin rechnete damit, dass die Klägerin mangels Krankheitseinsicht weiter ein auffälliges Anspruchsverhalten gegenüber Ämtern und Behörden zeigen werde.
Die Klägerin bezieht vom Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die Klägerin beantragte beim Beklagten am 9.3.2017 eine einmalige Beihilfe von 200 Euro zur Anschaffung neuer Winterstiefel, weil ihre bisherigen schadhaft geworden seien. Der Beklagte lehnte dies ab: Die Kosten für die laufende Ausstattung mit Kleidung seien von den Regelleistungen zu bestreiten (Bescheid vom 13.3.2017, Widerspruchsbescheid vom 31.3.2017).
Am 18.4.2017 hat die Klägerin beim SG Klage erhoben: Es gehe ihr um die Erstattung der Kosten aus "Gründen des Arrestes und anderen Verklemmen/Haften" und auch aus Gründen "Allergie, Rhinitis und Ekzeme".
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG die Klage mit dem am 7.11.2017 verkündeten Urteil abgewiesen: Die Bekleidung sei aus Mitteln der Regelleistung zu beschaffen. Ein Sonderbedarf wie etwa für eine Erstausstattung, für den Sonderleistungen zu gewähren sind, liege nicht vor. Gemäß dem über die Verhandlung erstellten Protokoll dauerte die Sitzung von 12.26 Uhr bis 14.30 Uhr, wobei eine Entscheidung am Ende des Sitzungstages verkündet werden sollte, was nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit - bei der niemand erschien - geschah.
Mit Schreiben vom 20.11.2017 (das neben weiteren Verfahren auch das hiesige Klageaktenzeichen nannte) erhob die Klägerin unter anderem deshalb Beschwerde gegen die Protokolle der Sitzung vom 7.11.2017, weil die Verhandlungen in ihren Verfahren nur bis 12.30 Uhr gedauert hatten. Mit Schreiben vom 22.11.2017 zu den am 7.11.2017 verhandelten Klageverfahren beschwerte sich die Klägerin erneut unter anderem über das im Protokoll angegebene Sitzungsende und merkte zur hiesigen Klage an, dass sie das Geld für Kleidung als "Ergebnis der Haft" begehre.
Unter anderem zum hiesigen Klageverfahren lehnte das SG eine Protokollberichtigung ab: Das Ende der jeweiligen Verfahren sei richtig vermerkt worden. Die mündlichen Verhandlungen seien entsprechend der Protokolle geschlossen und nach den Beratungen seien am Ende des Sitzungstages die Urteile verkündet worden. Die Verkündung habe um 14.30 Uhr geendet (Beschluss vom 4.1.2018).
Nach Zustellung des schriftlichen Urteils an die Klägerin am 7.12.2017 hat die Kammervorsitzende die Klägerin um Klarstellung gebeten, ob das Schreiben vom 22.11.2017 als Beschwerde gegen das Urteil zu verstehen sei. Nachdem die Klägerin dies mit Schreiben vom 10.1.2018 bestätigt hat, hat das SG die Beschwerde dem Senat vorlegt.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 24.1.2018 um "Abschaffung" des Urteils zu dem Beschwerdeaktenzeichen gebeten, weil der Tatbestand fehlerhaft sei. Hierzu hat sie auf ihr Schreiben an das SG vom 18.1.2018 hingewiesen, worin sie ausführt, dass die Verhandlungen in ihren Streitsachen am 7.11.2017 nur bis 12.30 Uhr stattfanden, sich dann Verfahren anderer Personen anschlossen, und sie um Auskunft zum Saal bitte, in dem von 12.30 Uhr bis 14.00 Uhr in ihren Streitsachen verhandelt worden sei. Mit Schreiben vom 29.1.2018 hat sie präzisiert, dass sie die Verfahrensvorschriften des Sozialgerichtsgesetzes verletzt ansieht, weil das SG ohne ihre Zustimmung Urteile ohne mündliche Verhan...