Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Befreiung von der Krankenversicherungspflicht im Wege des einstweiligen Rechtschutzes
Orientierungssatz
1. Bei der Entscheidung über Versicherungspflichten hat der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzlich angeordnet. Daher setzt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch bzw. Klage ein begründetes überwiegendes Interesse des Antragstellers voraus.
2. Liegen die Voraussetzungen einer Befreiung von der Krankenversicherungspflicht nach §§ 6 bis 8 SGB 5 nicht vor und ist dem Antragsteller eine rechtswirksame Zusicherung der Befreiung von der Versicherungspflicht entsprechend § 34 Abs. 1 S. 1 SGB 10 nicht erteilt worden, so ist dem Antragsteller eine Befreiung von der Krankenversicherungspflicht im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu versagen.
3. Die Vollziehung einer rechtmäßigen Entscheidung kann nur in Ausnahmefällen für den Betroffenen eine unbillige Härte bedeuten.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des
Sozialgerichts Stendal vom 3. März 2008 abgeändert und der Antrag der Antragstellerin insgesamt abgelehnt.
Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die gleichzeitig Beschwerdegegnerin und Anschlussbeschwerdeführerin ist (im Folgenden: Antragstellerin), begehrt von der Antragsgegnerin (und Beschwerdeführerin sowie Anschlussbeschwerdegegnerin, im Folgenden: Antragsgegnerin) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung.
Die am ... 1968 geborene Antragstellerin ist seit 1991 beim Firma M Anstalt des öffentlichen Rechts, abhängig beschäftigt. In dieser Tätigkeit war sie zumindest seit 1993 wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungsfrei und privat krankenversichert. Nach der Geburt ihres Sohnes im November 2004 nahm sie am 1. Oktober 2005 ihre Tätigkeit unter Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden während der Elternzeit wieder auf. Die Elternzeit endete am 23. November 2007. Mit Wirkung ab 24. November 2007 schloss sie mit ihrem Arbeitgeber einen 2. Änderungsvertrag, mit welchem die regelmäßige Arbeitszeit befristet bis zum 30. November 2010 wiederum auf 30 Wochenstunden festgesetzt wurde. Durch die Teilzeitbeschäftigung erreichte das Arbeitsentgelt nicht mehr die Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Auf einen entsprechenden Befreiungsantrag befreite die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 28. Oktober 2005 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung ab 1. Oktober 2005 während der Elternzeit. Mit Schreiben vom 13. April 2007 bat die Antragstellerin um eine weitere befristete Befreiung von der Krankenversicherungspflicht, da sie nach dem Ende der Elternzeit im November 2007 weiterhin für maximal drei Jahre einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen wolle, um eine intensivere Betreuung ihrer Kinder zu gewährleisten. Nach einem handschriftlichen Vermerk in der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin vom 20. April 2007 wurde die Antragstellerin telefonisch darüber informiert, dass keine weitere Befreiung von der Versicherungspflicht möglich sei.
Mit einem am 23. Oktober 2007 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schreiben beantragte die Antragstellerin erneut die befristete Befreiung von der Krankenversicherungspflicht, hilfsweise die unbefristete Befreiung. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 6. November 2007 ab, da hierfür Voraussetzung sei, dass sie ihre regelmäßige Wochenarbeitszeit auf die Hälfte oder mehr als die Hälfte vergleichbarer Vollbeschäftigter des Betriebes herabsetze. Im Einleitungssatz ist wörtlich ausgeführt: „Weil Sie ihre Arbeitszeit auf mehr als die Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit vergleichbarer Vollbeschäftigter des Betriebes herabgesetzt haben, unterliegen Sie seit dem 24.11.2007 der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V.“
Hiergegen legte die Antragstellerin am 16. November 2007 Widerspruch ein und beantragte, die aufschiebende Wirkung für das Verfahren anzuordnen. Das Schreiben vom 6. November 2007 sei widersprüchlich und daher so auszulegen, dass sie von der Versicherungspflicht befreit sei. Zudem sei ihrem Ehemann telefonisch die Befreiung von der Versicherungspflicht zugesagt worden, da hierfür Voraussetzung sei, dass sie ihre regelmäßige Wochenarbeitszeit auf die Hälfte oder mehr als die Hälfte vergleichbarer Vollbeschäftigter des Betriebes herabgesetzt habe. Sie habe den 2. Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag auf Grund dieser Zusicherung abgeschlossen. Zudem erfülle sie die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V), da sie bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe habe und bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts beschäftigt sei. Die aufschiebende W...