Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens im gerichtlichen Termin
Orientierungssatz
1. Das Gericht kann gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, ein Ordnungsgeld wie gegen einen nicht erschienenen Zeugen festsetzen, wenn er im Termin ausbleibt. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Prozessbeteiligten zur Sachaufklärung steht im Ermessen des Richters.
2. Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 EGStGB. Im Fall einer nachträglichen Entschuldigung i. S. von § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO ist auch der nachträgliche Vortrag für die Frage zu berücksichtigen, ob der Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben ist. Bei einem einmaligen Übersehen der Ladung ist von einem nur ganz geringfügigen Verschulden i. S. von Fahrlässigkeit auszugehen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 100.- €. bei einem Bezieher von Grundsicherungsleistungen ermessensfehlerhaft. Angemessen ist in einem solchen Fall die Verhängung eines Ordnungsgeldes von lediglich 30.- €, vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. November 1997 - 2 BvR 429/97.
3. Für die ersatzweise Festsetzung von Ordnungshaft und die Auferlegung der durch das Nichterscheinen zum Termin entstandenen Kosten enthält § 202 SGG i. V. m. § 141 Abs. 3 ZPO keine Rechtsgrundlage. Die Norm ermöglicht nur die Verhängung eines Ordnungsgeldes.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 3. November 2011 abgeändert: Das gegen die Klägerin verhängte Ordnungsgeld wird auf 30,00 EUR herabgesetzt. Die ersatzweise Festsetzung von Ordnungshaft und die Auferlegung der Tragung der durch das Nichterscheinen zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 1. November 2011 entstandenen Kosten werden aufgehoben. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100,00 EUR und gegen die Auferlegung der durch ihr Nichterscheinen zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 1. November 2011 entstandenen Kosten.
Die Klägerin begehrt in einem beim Sozialgericht Halle (SG) anhängigen Klageverfahren S 15 AS 1297/09 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für einen Zeitraum vom 1. März bis zum 31. August 2009. Für diesen Zeitraum bewilligte der beklagte Träger der Grundsicherungsleistungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II wegen der Notwendigkeit einer aus medizinischen Gründen kostenaufwändigen Ernährung. Ein solcher Mehrbedarf war bei der Leistungsgewährung für vorangegangene Bewilligungsabschnitte berücksichtigt worden. Die Klägerin erhob nach erfolglosem Widerspruchsverfahren am 20. März 2009 Klage und führte zur Begründung aus: Sie sei chronisch an Diabetes mellitus erkrankt. Dies sei dem Leistungsträger bekannt und durch fachärztliche Atteste nachgewiesen. Daraufhin habe sie (bisher) die Leistungen für den Mehrbedarf erhalten. Sie könne sich nicht der Auffassung des Leistungsträgers anschließen, dass der Mehrbedarf bei ihr nach den neuen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge keine Berücksichtigung mehr finden solle. Der beklagte Leistungsträger übersandte am 14. Mai 2009 die Leistungsakten und führte in einem Schreiben vom 3. Juni 2009 aus, die Klägerin habe keine nicht bereits bekannten Gesichtspunkte vorgetragen. Daneben ist beim SG seit dem 9. September 2009 noch ein weiteres Klageverfahren der Klägerin mit dem Aktenzeichen S 15 AS 433/09 anhängig, in dem sie von dem Träger der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II die Übernahme der Kosten für eine Erstausstattung ihrer Wohnung (einen Kleiderschrank) begehrt.
Am 30. August 2011 verfügte die beim SG zuständige Kammervorsitzende in dem Verfahren S 15 AS 1297/09 die Ladung der Klägerin zu einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts an und ordnete deren persönliches Erscheinen an. In dem daraufhin gefertigten Ladungsschreiben vom 30. August 2011 erfolgte der Hinweis darauf, falls die Klägerin ohne genügende Entschuldigung nicht erscheine, könnten ihr die durch ihr Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt und zugleich könne ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR festgesetzt werden. Dies unterbleibe, wenn die Klägerin glaubhaft mache, dass ihr die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen sei oder wenn ihr Ausbleiben vom Gericht als genügend entschuldigt angesehen werde. Ausweislich einer in die Gerichtsakte gehefteten Postzustellungsurkunde wurde das Ladungsschreiben am 15. September 2011 in den zur Wohnung der Klägerin in Halle gehörenden Briefkasten eingelegt, nachdem erfolglos versucht worden war, es zu übergeben.
Zum Termin am 1. November 2011 erschien die Klägerin nicht. Mit Beschluss vom 3. November 2011 wurden der Klägerin die durch ihr Nichterscheinen verursachten Kosten auferlegt und zugl...