Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Beiträge für eine private Krankenversicherung. Ruhen des Versicherungsvertrages aufgrund von Beitragsschulden. Versicherung im Notlagentarif. Einkommenseinsatz. Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit. Heranziehung des Einkommensteuerbescheides bei vergangenen Bedarfszeiträumen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es wird auf das Urteil des LSG Halle vom 22.11.2018 in der Rechtssache L 8 SO 77/15 verwiesen, das vollständig dokumentiert ist.

2. Hat ein Hilfesuchender in der Vergangenheit erhebliche Beitragsschulden in der privaten Krankenversicherung aufgebaut und ist dementsprechend der Vertrag gemäß § 193 Abs 6 S 4 VVG zum Ruhen gebracht worden, sodass das Ruhen nicht allein mit der Feststellung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII und mit der Bewilligung von Beiträgen im Basistarif beendet werden kann, sondern die vollständige Tilgung der Schulden voraussetzt, ist (nur) der Notlagentarif als weiterer zusätzlicher Bedarf gemäß § 32 SGB XII zu berücksichtigen.

3. Liegt der Bedarfszeitraum in der Vergangenheit, ist für eine Einkommensprognose und eine hypothetische Einnahmenüberschussrechnung kein Raum mehr, wenn zwischenzeitlich der - bestandskräftige - Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes vorliegt.

 

Normenkette

VVG § 193 Abs. 4 S. 4, Abs. 9 S. 1; SGB XII § 32; SGB XII a.F. § 32 Abs. 5 S. 1, § 41 Abs. 1-2, § 42 Nr. 3; BSHG§76DV § 4 Abs. 3 S. 2; SGB X § 44; SGG § 54 Abs. 2 S. 1, § 153 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.12.2020; Aktenzeichen B 8 SO 10/20 BH)

 

Tenor

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Über die Kostenentscheidung des Sozialgerichts für das Klageverfahren S 7 SO 21/15 hinausgehend sind Kosten für die Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Nach seinem teilweisen Obsiegen vor dem Sozialgericht verfolgt der Kläger in zwei verbundenen Berufungsverfahren die Zahlung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) für die Zeiträume vom 1. Juni 2014 bis zum 30. September 2015 und vom 1. Oktober 2015 bis zum 30. September 2016 zu seinen Händen.

Der 1946 geborene Kläger lebt seit März 2014 mit seiner  1957 geborenen Ehefrau, die im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) bezog, in einer Drei-Zimmer-Mietwohnung mit circa 81 m² Wohnfläche in M., für die er ausweislich des Mietvertrages vom 14. Januar 2014 monatlich eine Grundmiete von 327,97 € und Vorauszahlungen für Betriebskosten in Höhe von 65,00 € und für Heizung/Warmwasser in Höhe von 81,00 € vereinbarte. Die Zusicherung für die Aufwendungen nach dem Umzug in diese Wohnung hatte das Jobcenter S. mit Schreiben vom 19. Februar 2014 abgelehnt.

Der Kläger bezieht seit dem 1. Oktober 2011 Regelaltersrente. Im Juni 2014 betrug der monatliche Zahlbetrag 685,68 € (darin Zuschuss zur Krankenversicherung [KV] und Pflegeversicherung [PV] 46,65 €), von Juli 2014 bis Juni 2015 703,00 € (darin Zuschuss zur KV/PV 47,83 €), von Juli 2015 bis Juni 2016 720,59 € (darin Zuschuss zur KV/PV 49,03 €) und von Juli bis September 2016 763,47 € (darin Zuschuss zur KV/PV 51,94 €).

Der Kläger stellte erstmals am 31. Januar 2012 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen am 10. Dezember 2012 verzichtete er zum 12. Oktober 2012 auf seine Rechte aus der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Für die nach seinen Angaben auf Abwicklung von Mandaten gerichtete selbstständige Erwerbstätigkeit nach Ende der Zulassung weisen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 jeweils Verluste aus selbstständiger, hier freiberuflicher Tätigkeit aus (2015: - 853,00 €, 2016: -886,00 €). Der Kläger hat hierzu vor dem Sozialgericht in der nichtöffentlichen Sitzung am 9. Mai 2018 ausgeführt, die Gewinne aus seiner Tätigkeit gingen an den Treuhänder, „die Kosten“ habe er weiterhin. Nähere Angaben zu den von den Verlusten erfassten Aufwendungen hat der Kläger seit dem Verwaltungsverfahren abgelehnt.

Der Kläger ist privat kranken- und pflegeversichert bei der I.Krankenversicherung aG. Sein Versicherungsverhältnis in der KV wurde seit dem 14. September 2009 und auch während des streitgegenständlichen Zeitraums durchgehend im Notlagentarif geführt, da bereits vor dem Erstantrag auf Leistungen der Grundsicherung in Alter und bei Erwerbsminderung Altschulden bestanden, zum 1. Juli 2009 in Höhe von 4.609,29 € und zum 1. Januar 2012 in Höhe von 9.571,71 €. Diesbezüglich wird auf die Forderungsaufstellung im Schreiben einer für die I.tätig gewordenen Rechtsanwaltskanzlei vom 13. April 2016, Blatt 203 bis 204 Bd. II der Gerichtsakten aus dem Verfahren vor dem Landessozialgericht (LSG) L 8 SO 77/15, Bezug genommen. Die I. hat zuletzt mit Schreiben vom 13. März 2019 bestätigt, dass eine rückwirkende Vertragsumstellung der KV (z.B. in den Basis...

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