Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufige Bewilligung von Leistungen der Unterkunft. Übernahme von Tilgungszahlungen zur Eigenheimfinanzierung durch den Grundsicherungsträger
Orientierungssatz
1. Leistungen für die Unterkunft und Heizung sind nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 im Zeitpunkt der Fälligkeit zu berücksichtigen. Nach § 41 Abs. 1 S. 4 SGB 2 sollen sie wegen ihres existenzsichernden Charakters im Voraus erbracht werden.
2. Sind diese erst nach Ablauf des Fälligkeitsmonats exakt zu beziffern, so hat der Grundsicherungsträger über eine Leistungserbringung nach §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB 2, 328 Abs. 1 SGB 3 vorläufig zu entscheiden.
3. Die Übernahme von Tilgungszahlungen zur Eigenheimfinanzierung durch den Grundsicherungsträger nach § 22 SGB 2 ist auf Ausnahmefälle bei ansonsten drohendem Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums und auf Fälle beschränkt, in denen die Finanzierung der Immobilie weitgehend abgeschlossen ist.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. Februar 2014 aufgehoben und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils 18,75 EUR für die Monate Januar, März, April und Mai 2014 sowie in Höhe von 140,95 EUR für Februar 2014 zu gewähren. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin 20 % ihrer außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Weiteren: Antragstellerin) begehrt im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtschutzes die Gewährung weiterer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum von Dezember 2013 bis Mai 2014.
Die Antragstellerin steht gemeinsam mit ihrem Ehemann, der eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe von 373,45 EUR monatlich bezieht, als Bedarfsgemeinschaft bei dem Antrags- und Beschwerdegegner (im Weiteren: Antragsgegner) im laufenden Bezug von SGB II-Leistungen. Gemeinsam bewohnen sie ein Eigenheim in J ... Hierfür bewilligte der Antragsgegner bislang monatliche KdU in Höhe eines Zwölftels der voraussichtlichen Jahresaufwendungen für das Eigenheim. Leistungen für Heizkosten erbrachte er in den letzten Jahren nicht mehr, nachdem die Antragstellerin auf einer vorherigen Barzahlung bestanden hatte und nicht bereit gewesen war, auf der Grundlage von Kostenzusagen des Antragsgegners Heizöl zu bestellen (vgl. u.a. Beschluss des 5. Senats des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 18. April 2013, Az.: L 5 AS 23/13 B ER).
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerin bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 6. November 2013 für die Bedarfsgemeinschaft Leistungen in Höhe von insgesamt 486,83 EUR für Dezember 2013 und 371,37 EUR monatlich für die Monate Januar bis Mai 2014. Leistungen für die KdU wurden für den Monat Dezember 2013 in bisheriger Höhe (57,72 EUR und 57,74 EUR) bewilligt, jedoch ab Januar 2014 nicht mehr. Dazu führte der Antragsgegner im Bescheid aus, ab dem Jahr 2014 seien KdU-Leistungen an Eigenheimbesitzer nur noch dann im Monat der Fälligkeit der Aufwendung zu gewähren, wenn zuvor ein Beleg über die Aufwendung vorgelegt worden sei. Er forderte die Antragstellerin auf, Nachweise zu den KdU umgehend vorzulegen, damit die Leistungshöhe angepasst werden könne.
Dagegen legte die Antragstellerin am 13. November 2013 Widerspruch ein, den sie zunächst wie in früheren Verfahren begründete: Ihr Ehemann sei aufgrund des Renteneinkommens kein Bezieher von SGB II-Leistungen. Seine Rente sei bei der Berechnung ihres Leistungsanspruchs nicht zu berücksichtigen. Die Gewährung von nur 90% der Regelleistung eines Alleinstehenden an Personen, die in einer Partnerschaft lebten, verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Nach der Satzung des Landkreises W. habe sie – wie ein Mieter – Anspruch auf KdU-Leistungen in Höhe von mindestens 424 EUR monatlich. Leistungen für die Heizkosten seien auch ohne Rechnungsnachweis zu erbringen. Bei den Raten für das Hausdarlehen sei neben den Zinsen auch der Tilgungsanteil bei der Leistungsgewährung zu berücksichtigen. Schließlich sei der Mehrbedarf für die Kosten der Warmwasserbereitung zu zahlen. Ergänzend führte sie aus, die vom Antragsgegner zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Berücksichtigung der Nebenkosten nur im Monat der Fälligkeit könne die gesetzliche Regelung des § 41 SGB II, nach der SGB II-Leistungen monatlich im Voraus zu erbringen seien, nicht verdrängen. Es sei gesetzlich nicht vorgesehen, dass sie die KdU vorfinanzieren müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2013 wies der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurück: Da für die Zeit ab Januar 2014 noch keine aktuellen Belege vorgelegt worden seien, könnten Leistungen für die KdU (noch) nicht gewährt werden...