Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bei verschlossenem Arbeitsmarkt trotz eines sechsstündigen Leistungsvermögens
Orientierungssatz
1. Ein Versicherter, der unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, ist nicht erwerbsgemindert i. S. von § 43 SGB 6. Hierbei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
2. Eine schwere Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen führt trotz eines Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes.
3. Der Arbeitsmarkt gilt ebenso als verschlossen, wenn dem Versicherten die Wegefähigkeit fehlt. Das ist dann der Fall, wenn er nicht mehr täglich viermal Wegstrecken von mehr als 500 meter innerhalb jeweils 20 Minuten zu Fuß zurücklegen kann und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die am ... 1958 geborene Klägerin absolvierte nach der Schulausbildung (Zehn-Klassen-Abschluss) nach ihren Angaben vom 1. September 1975 bis zum Mutterschutz vor der Geburt ihres ersten Kindes am 24. Mai 1977 erfolgreich eine Ausbildung zur Facharbeiterin für automatisierte Produktionssysteme. Sie widmete sich dann bis zur Aufnahme einer Beschäftigung als Glaserhelferin am 19. Juni 1978 der Kindererziehung. Sie war bis zum 31. Mai 1997 in dieser Tätigkeit sowie vom 14. April bis zum 30. September 1998 und vom 4. Januar 1999 bis zum 13. März 2003 als Unterhaltsreinigerin beschäftigt; in den dazwischen liegenden Zeiträumen war sie arbeitslos. Im Anschluss daran erhielt sie Arbeitslosengeld bzw. Krankengeld.
Die Klägerin beantragte am 11. November 2004 bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der diesen Antrag ablehnende Bescheid der Beklagten vom 4. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2006 wurde nach einem durch Klagerücknahme beendeten Verfahren vor dem Sozialgericht Dessau (Az. S 2 R 87/06) bestandskräftig. In der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts am 19. April 2007 gab die Klägerin ihren dem vorliegenden Streitverfahren zugrunde liegenden Rentenantrag zu Protokoll, den sie mit der bei ihr vorliegenden Hepatitis, Schilddrüsenerkrankung, Bandscheibenvorlagerung und starken Schmerzen begründete.
Die Beklagte zog zunächst die Unterlagen aus dem vorangegangenen Renten- bzw. Rehabilitationsverfahren bei. Nach dem Entlassungsbericht der Reha-Klinik G. vom 21. März 2003 über die dort vom 13. Februar bis zum 13. März 2003 durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme war die Klägerin auch für mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich einsetzbar. Aus dem von der Beklagten beigezogenen Entlassungsbericht der Inneren Abteilung des Klinikums B. vom 29. März 2004 ergibt sich die Absicherung einer hepatitisähnlichen toxischen Hepatose mit zentrolobulären Nekrosen, geringer Cholestase und ausgeprägter zelliger Reaktion in den nicht fibrös verdichteten Periportalfeldern ohne Verfettung. Auffällig sei die erheblich rundzellige Infiltration der hierdurch verbreiterten Portalfelder, die auch an ein Lymphödem denken lasse. Ein eindeutiger Hinweis für einen medikamentöstoxischen Leberparenchymschaden, einen mechanisch bedingten Ikterus, eine Hepatitis oder andere leberspezifische Erreger habe nicht belegt werden können. Dr. O., Chefarzt der Inneren Klinik/Klinikum B., gab in seinem von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 28. Februar 2005 an, die Klägerin werde seit 2004 wegen einer immunologischen Lebererkrankung behandelt. Diese sei medikamentös offensichtlich gut eingestellt. Die Kontrollparameter hätten keine Erhöhung der Transaminasen gezeigt. Der sonografische Befund sei ebenfalls regelrecht. Im Vordergrund der Beschwerden der Klägerin stünden die Wirbelsäulenschmerzen im Sinne eines chronischen lumbalgiformen Syndroms, die ein röntgenologisches Substrat hätten. Für die Anämie habe sich in den durchgeführten Untersuchungen kein pathologischer Befund ergeben; weitere diagnostische Maßnahmen sollten durchgeführt werden. Die Lebererkrankung schränke die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht zusätzlich ein. Sie sei für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig einsetzbar. Zu vermeiden seien länger andauernde Zwangshaltungen. Eine mehrfache sozialmedizinische Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), zuletzt mit dem Gutachten vom 24. Januar 2005, auf Grund der von Dipl.-Med...