Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht nach § 2 Abs 2 Nr 1 SGB 4. Restaurantleiter. freier Mitarbeiter. vertragliche Vereinbarung. tatsächliche Verhältnisse. Gesamtbild der Arbeitsleistung. Abgrenzung. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung, ob ein Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche gesetzlichen und von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale überwiegen. Hauptmerkmale sind die vertragliche Vereinbarung, die Weisungsgebundenheit, die Eingliederung in den fremden Betrieb und das Unternehmerrisiko. Ausschlaggebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung.
Orientierungssatz
Die Inrechnungstellung von Mehrwertsteuer ist nicht beschäftigungstypisch und indiziert, anders als die Lohnsteuerpflicht, kein Beschäftigungsverhältnis (vgl BSG vom 29.3.1962 - 3 RK 74/57 = BSGE 16, 289 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO).
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 27. August 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf jeweils 3.458,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin als Restaurantinhaberin Sozialversicherungsbeiträge für ihren Ehemann M. H. - der Beigeladen zu 4. - für den Zeitraum 01. Januar 2000 bis 31. Mai 2000 nachzuentrichten hat.
Nach ihrem Studium als Erzieherin jobbte die Klägerin seit 1994 in der Gastronomie und arbeitete ab 1997/1998 im von ihrem späteren Ehemann, dem Beigeladenen zu 4., betriebenen Restaurant P. im Service. Ab dem 01. Januar 2000 übernahm sie dann von ihm das Restaurant als neue Inhaberin. Der Beigeladene zu 4. war seit 1993 selbständig tätig und betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum bis zu vier Gaststätten in M. Die Klägerin und der Beigeladene zu 4. führten ab 2001 eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und heirateten am 03. Januar 2003.
Nach der am 22. Juli 2004 im Restaurant P. gemäß § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) durchgeführten Betriebsprüfung erließ die Beklagte den Bescheid vom 29. September 2004 und forderte hierin von der Klägerin Beiträge für ihren Ehemann in Höhe von 4.985,82 EUR für den streitgegenständlichen Zeitraum nach. Es sei ein Beschäftigungsverhältnis anzunehmen, da der Ehemann persönlich abhängig sei, denn er sei in den Betrieb der Klägerin eingegliedert und ihr weisungsunterworfen. Er habe fremdbestimmte Arbeit geleistet; insbesondere liege keine selbständige Tätigkeit vor.
Die Klägerin legte am 11. Oktober 2004 Widerspruch ein. Der Beigeladene zu 4. habe das Restaurant zum 01. Januar 2000 auf sie übertragen und unterstütze sie in der Übergangsphase als geschäftsführender Restaurantleiter. Sie habe hierfür mit dem Beigeladenen zu 4. einen freien Mitarbeitervertrag geschlossen, da er im streitgegenständlichen Zeitraum noch drei weitere Gaststätten mit neun Mitarbeitern betrieben habe. Die Gaststätte im H. habe er noch bis zum 31. Januar 2000, die anderen beiden Gaststätten Sch.er Str. 35-36 und O.er Ch. 123 noch bis zum 30. April 2000 geführt. Der Beigeladene zu 4. sei daher weder in ihren Betrieb eingegliedert noch ihr weisungsunterworfen oder persönlich von ihr abhängig gewesen. Dies ergebe sich auch aus dem freien Mitarbeitervertrag, dort unter § 4.
Nachfolgend legte die Klägerin den freien Mitarbeitervertrag vom 01. Mai 1999 und den Arbeitsvertrag vom 29. Mai 2000 vor. Ferner fügte sie die Beitragsnachweise der Krankenkassen für die Mitarbeiter des Beigeladenen zu 4. bei. Aus dem freien Mitarbeitervertrag ergibt sich aus § 3 ein Pauschalhonorar in Höhe von monatlich 4.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer bei einem durchschnittlichen monatlichen Zeitaufwand von 100 Stunden. Nach § 4 unterliegt der Beigeladene zu 4. keinen Weisungen, ist aber selbst den Angestellten gegenüber weisungsbefugt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 29. Mai 2000 beträgt der monatliche Bruttolohn 4.500,00 DM bei einer Arbeitszeit von 167 Stunden.
Mit Bescheid vom 09. März 2006 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab, insoweit der Beigeladene zu 4. vom 01. Januar 2000 bis zum 30. April 2000 weitere Gaststätten mit mindestens einem Arbeitnehmer betrieben und deshalb keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nachzuentrichten habe. Der Nachforderungsbetrag reduziere sich auf 3.458,00 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück, da sich die Tätigkeit des Beigeladenen zu 4. nicht von der vor dem 01. Juni 2000 unterschieden habe. Der Beigeladenen zu 4. sei nach beiden Verträgen als Restaurantleiter bzw. als stellvertretender Restaurantleiter beschäftigt gewesen, wobei es sich nach der Verkehrsanschauung um eine abhängige versicherungspflichtige Tätigkeit handle. Ferner habe der Beigeladene zu 4. seine Tätigkeit nicht unter eigenem Namen, sondern ...