Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Übergangsrecht. ehemalige DDR. Arbeitsunfall gem § 1150 Abs. 2 S. 2 RVO. gesellschaftliche Tätigkeit. Lehrling. vormilitärische Ausbildung. Lager der Gesellschaft für Sport und Technik
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitsunfälle iS von § 1150 Abs 2 S 1 RVO "nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht" sind auch solche Unfälle, die nach dem Recht der DDR Ansprüche "wie bei einem Arbeitsunfall" begründeten.
2. Ein Unfall, der als Unfall im Rahmen "gesellschaftlicher Tätigkeit" nach den Vorschriften der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten vom 11.4.1973 (GBl I, 199) anerkannt worden ist, kann bei der Prüfung nach § 1150 Abs 2 S 2 Nr 1 RVO auch ein Unfall im Rahmen des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO sein, wenn Arbeits- bzw Lehrvertrag oder Normen des Arbeitsrechts bzw des Rechts der Berufsausbildung der DDR eine Pflicht zur Ausübung der gesellschaftlichen Tätigkeit begründeten.
3. In solchen Fällen richtet sich die Zuständigkeit jedenfalls dann nach dem Tatbestand, der durch "Verwaltungsakt" der DDR anerkannt ist, wenn dieser die Sonderzuständigkeit nach Bundesrecht begründet.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 26. September 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2007 werden aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers vom 2. Juni 1987 ein Arbeitsunfall in der Zuständigkeit der Beklagten ist.
Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge und das Vorverfahren zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfall des Klägers im Rahmen eines Lagers der Gesellschaft für Sport und Technik der DDR (GST) als Arbeitsunfall festzustellen ist.
Der Kläger meldete der Beigeladenen mit Eingangsdatum vom 18. Januar 2006 den Unfall, den er am 2. Juni 1987 erlitten hatte. Er fügte ein Schreiben der Staatlichen Versicherung bei, nach dessen Inhalt er in einer medizinischen Einrichtung des Zentralen GST-Ausbildungslagers P. behandelt worden war. Weiterhin ging aus einer Ablichtung seines Sozialversicherungsausweises hervor, dass die Zentrale Betriebsgewerkschaftsleitung des VEB A. Karl-Marx Stammbetrieb M. den erlittenen Arbeitsunfall mit dem Kennzeichen "GT" eingetragen hatte.
Auf Befragen durch die Beigeladene teilte der Kläger mit, der Unfall habe sich im GST-Lager P. beim Sprung von einem Balken auf der Sturmbahn ereignet. Er sei vom Betrieb während der Lehre in das Lager geschickt worden. Es sei der Innenmeniskus des rechten Knies verletzt worden. Nach der zeitnahen Behandlung sei er wegen Unfallfolgen nicht mehr in ärztlicher Behandlung gewesen. Diesem Schreiben fügte der Kläger eine Ablichtung eines Schreibens seiner Mutter vom 30. Juli 1987 bei. Darin wandte sie sich an einen Obermeister des VEB, dem sie schilderte, der Kläger sei bei dem Lager beim Überklettern einer Hinderniswand auf das Knie gestürzt. Weiterhin schilderte sie den Behandlungsverlauf. Insbesondere forderte sie den Betrieb zur Erstellung einer Unfallmeldung auf. Weiter beigefügt war ein Schreiben des Leiters des "zentralen Ausbildungszentrums" P. der GST an eine Berufsschule in M. vom 10. Juli 1987, wonach der Kläger sich am 3. Juni 1987 in der Ambulanz des "Z." vorgestellt habe. In einem weiteren Schreiben vom 11. August 1987 schilderten die Eltern des Klägers den gleichen Hergang, wiesen darauf hin, der Kläger habe sich erst am Folgetag des Unfalls in ärztliche Behandlung begeben können, weil der Unfall sich erst nachmittags zugetragen habe. Trotz einer zwischenzeitlich aufgetretenen Schwellung und Problemen beim Gehen sei dem Kläger von der Lagerärztin aber mitgeteilt worden, es sei nichts. In einem Schreiben der Staatlichen Versicherung vom 25. Mai 1988 erkannte sie unter Bezugnahme auf das Schreiben der Eltern nach ärztlicher Beteiligung einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der medizinischen Betreuung im Lager dem Grunde nach an. Schließlich lag eine Klage vom 8. August 1991 gegen ein Krankenhaus vor, in der dargestellt ist, der Unfall habe sich während der vormilitärischen Ausbildung ereignet.
Im Weiteren übernahm die Beklagte die Bearbeitung des Falles als Fall nach § 1 der Erweiterungs-Verordnung.
Auf Befragen der Beklagten gab der Kläger an, zur Teilnahme an dem Lager sei er durch seinen Lehrvertrag verpflichtet gewesen. Er legte den Lehrvertrag vom 5. Dezember 1985 vor, der im Abschnitt "grundlegende Rechte und Pflichten des Betriebes und des Lehrlings" den vorgedruckten Absatz enthält: "Der Lehrling ist verpflichtet, während des Lehrverhältnisses an der vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen, sich militärpolitische und militärfachliche Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen bzw. an den Maßnahmen der Zivilv...