Entscheidungsstichwort (Thema)

Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. testpsychologische Diagnostik. Vorliegen der Voraussetzungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Weitergewährungsantrag ist erneut umfassend zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung über den Wegfallzeitpunkt hinaus vorlagen bzw zu einem späteren Zeitpunkt vorliegen. Insoweit ist das Leistungsvermögen in dem davor liegenden Zeitraum ungeachtet des Rentenbezugs nicht von Relevanz.

2. Die testpsychologische Diagnostik kann zwar einen Beitrag zur psychiatrischen Diagnostik liefern. Jedoch handelt es sich dabei um ergänzende Informationen für die Diagnosestellung. Entscheidend sind die Verhaltensbeobachtung und die Erhebung des psychopathologischen Befundes durch den Psychiater.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.12.2019; Aktenzeichen B 13 R 164/18 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Weiterbewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.

Die am ... 1961 geborene Klägerin absolvierte von 1977 bis 1979 eine Ausbildung zum Facharbeiter für Polstertechnik. Sie war anschließend als Polsterin, Gardinennäherin und zuletzt von Dezember 1989 bis Juli 1991 als Kommissionierer tätig. Danach war sie arbeitslos und nahm an AB-Maßnahmen teil. Sie arbeitete von November 1996 bis April 1997 als Telefonverkäuferin von EDV-Zubehör und übte von April 1999 bis zu dem Verkehrsunfall am 4. August 2000 eine geringfügige Tätigkeit als Fleisch- und Wurstverkäuferin aus.

Bei dem Verkehrsunfall erlitt die Klägerin komplexe Fußwurzel- und Vorfußverletzungen beidseits. Bei ihr war seit dem 24. November 2000 ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt, seit April 2015 ist ein GdB von 50 anerkannt.

Die Klägerin beantragte am 14. Dezember 2000 bei der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (LVA), der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/Berufsunfähigkeit. Die LVA bewilligte ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. März 2001 bis zum 31. August 2003. Nach der Ablehnung ihres Weitergewährungsantrages erhob die Klägerin Klage bei dem ehemaligen Sozialgericht Stendal (S 2 RJ 3/04). Sie stellte am 13. Dezember 2005 einen Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 22. Mai 2001 hinsichtlich des anzuwendenden Rechts. Diesen Überprüfungsantrag lehnte die LVA mit Bescheid vom 27. Februar 2006 ab.

Das Sozialgericht Stendal verurteilte die LVA mit Urteil vom 18. Dezember 2007, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 1. März 2001 auf Dauer zu bewilligen. Das anschließende beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt anhängige Berufungsverfahren L ... wurde am 26. März 2009 mit Vergleich dahingehend beendet, dass sich die Beklagte verpflichtete, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. August 2003 hinaus bis zum 31. August 2009 zu bewilligen.

Am 15. Juni 2009 beantragte die Klägerin die Weitergewährung dieser Rente. Die Beklagte zog zunächst die medizinischen Unterlagen aus den vorangegangenen Rehabilitations- und Rentenverfahren bei. Ausweislich des Entlassungsberichts nach der stationären Rehabilitation vom 2. bis zum 23. Oktober 2000 sei eine regelmäßige Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. In dem von dem Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin Dr. F. erstatteten Gutachten vom 29. August 2002 war ebenfalls eine Erwerbsfähigkeit verneint worden. Die Fachärztin für Orthopädie Dr. D. hatte in ihrem Gutachten vom 10. Juni 2003 die Klägerin für in der Lage erachtet, leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit weiteren qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Der Chefarzt der Chirurgischen Klinik der Kliniken He. ( ...) Dr. H. hatte in dem auf Anforderung des Sozialgerichts Stendal in dem Verfahren S ... eingeholten Gutachten vom 15. November 2004 eingeschätzt, dass die Klägerin leichte körperliche Arbeiten mehr als sechs Stunden täglich bis vollschichtig mit qualitativen Einschränkungen ausüben könne. Ferner könne sie viermal täglich mindestens 500 m zu Fuß zurücklegen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Die die Klägerin bis April 2003 behandelnde Fachärztin für Chirurgie Dr. M. hatte in dem nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstatteten Gutachten vom 17. Dezember 2006 eine tägliche Leistungsfähigkeit von maximal vier Stunden für leichte körperliche Arbeiten bescheinigt. Alle zwei Stunden sei eine Pause zur kurzzeitigen Entlastung der Beine einzulegen. Der Klägerin sei eine Gehstrecke von höchstens 200 m viermal täglich zumutbar. In einem weiteren auf Veranlassung des Sozialgerichts von Dr. H. eingeholten Gutachten vom 31. Mai 2007 war ein tägliches Leistungsvermögen der Klägerin im Umfang von sechs Stunden und mehr für leichte körperliche Arbeiten mit weiteren qualitativen Einschr...

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