Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit bei noch sechsstündigem arbeitstäglichen Leistungsvermögen

 

Orientierungssatz

1. Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nicht, wenn der Versicherte noch körperlich leichte Tätigkeiten, auch mit weiteren Einschränkungen, sechs Stunden täglich verrichten kann und sich für dieses Restleistungsvermögen Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes mit entsprechenden Arbeitsplätzen beschreiben lassen. In einem solchen Fall ist die Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes nicht erforderlich, vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2006 - B 13 RJ 38/05 R.

2. Der Ausübung einer Pförtnertätigkeit bzw. eines Wächterberufes steht nicht entgegen, wenn der Versicherte eine Hand nur noch als Beihand benutzen kann. Die anfallenden Tätigkeiten können auch einhändig verrichtet werden. Selbst für faktisch Einarmige gibt es insoweit noch Tätigkeitsbereiche. Allein die Beschränkung, dass keine Tätigkeiten ausgeübt werden können, die auf Beidhändigkeit angewiesen sind, führt nicht dazu, dass der Versicherte nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein könnte, vgl. LSG Halle, Urteil vom 15. Januar 2009 - L 3 R 108/07, sowie LSG München, Urteil vom 20. Januar 2009 - L 6 R 232/06.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) hat.

Die am ... 1953 geborene Klägerin absolvierte nach ihrem Schulabschluss keine Ausbildung. Sie arbeitete zunächst von 1970 bis 1978 als Postzustellerin. Nach dem Abschlusszeugnis des Post- und Fernmeldeamtes A. vom 30. Juni 1975 schloss sie die Ausbildung in einem Teilgebiet eines Berufes als Zusteller im Ausbildungsberuf Facharbeiter Betrieb und Verkehr PZ ab. Hiernach arbeitete sie von April 1978 bis zum Dezember 1991 als Wächterin. In den Jahren 1994 bis 1995, 1997 und 1999 bis 2000 absolvierte sie verschiedene Maßnahmen und war auch als Verkäuferin in einem Praktikum tätig.

Am 5. Januar 2006 beantragte sie bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung und reichte hierzu u. a. einen Bescheid des Amtes für Versorgung und Soziales M. vom 12. August 1993 ein, wonach bei ihr wegen einer angeborenen Fehlbildung des linken Armes und eines Wirbelsäulenleidens ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt wurde. Sie gab an, bei ihr würden die angeborene Fehlbildung des linken Armes, ein beiderseitiges Hüftgelenksleiden, ein Arthrose am rechten Daumen sowie Schmerzen am linken Fuß vorliegen. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Chirurg Dr. B. nach Untersuchung der Klägerin am 31. Januar 2006 ein Gutachten vom 1. Februar 2006. Er diagnostizierte neben der Minusfehlbildung des linken Arms (ab 3 cm unterhalb des Ellenbogengelenks) eine Periarthrosis humeroscapularis links (Schulterschmerzsyndrom) sowie ein rezidivierendes Lumbalsyndrom. Die Klägerin habe sich in einem unauffälligen Ernährungszustand und in einem unauffälligen körperlichen Zustand befunden. Das Gangbild sei ebenfalls nicht auffällig gewesen, Treppensteigen sei normal erfolgt, Aus- und Anziehen nahezu unbehindert. Das Fehlen des linken Arms sei gut kompensiert. Es hätten bei sämtlichen Bewegungsabläufen bis auf leicht schmerzhafte endständige Überkopfbewegungen keine erkennbaren Funktionsschmerzen oder Schonhaltungen vorgelegen. Als Verkäuferin könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie aber für leichte körperliche Tätigkeit in Tages-, Früh- und Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich einsetzbar. Hierbei seien Einschränkungen für den Bewegungs- und Haltungsapparat zur berücksichtigen, insbesondere die Minusfehlbildung. Es seien ihr keine Arbeiten in bückender Position sowie mit häufiger Überkopf-Bewegung des rechten Armes möglich. Mit Bescheid vom 21. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin daraufhin mit der Begründung ab, diese könne noch Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben.

Hiergegen legte die Klägerin am 17. März 2006 Widerspruch ein und führte aus, dass sie aufgrund der jahrelangen, einseitigen Belastung des rechten Armes selbst bei leichten Hausarbeiten inzwischen längere Unterbrechungen einlegen müsse, da die rechte Hand unbeschreiblich schmerze. Sogar beim Treppenwischen bekomme sie Schmerzen in der linken Hüfte sowie im Nacken- und Schulterbereich. Nach der Einholung eines Befundberichts des behandelnden Hausarztes Dr. G. vom 19. April 2006 bot die Beklagte der Klägerin Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an, ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge