Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Rücknahme der Zulassung eines Disease-Management-Programms bei Diabetes mellitus Typ 2
Leitsatz (amtlich)
1. Die Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms (DMP) erfolgt durch Verwaltungsakt. Die Rücknahme der Zulassung für die Vergangenheit richtet sich nach § 45 SGB 10. Sie setzt die Rechtswidrigkeit der erteilten Zulassung und die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens voraus.
2. Zu den Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Diabetes mellitus Typ 2 nach der Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) bezüglich der Strukturqualität der am DMP teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen.
3. Zu den für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens wesentlichen Gesichtspunkten bei der Entscheidung über die Rücknahme der Zulassung eines DMP für die Vergangenheit.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 23. Juli 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2005 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 65.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die von ihr erteilte Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms (Disease-Management-Programm - DMP) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen hat.
Die Bkk S. schloss, dabei vertreten durch den BKK-L. O., am 2. Juni 2003 mit der beigeladenen K. V. S. einen Vertrag zur Durchführung des strukturierten Behandlungsprogramms nach §§ 73a in Verbindung mit 137f SGB V Diabetes mellitus Typ 2 auf der Basis der Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV). Durch eine zum 1. April 2009 genehmigte Vereinigung ist die Klägerin Rechtsnachfolgerin der Bkk S. geworden. Der Vertrag galt für die Vertragsärzte im Bezirk der Beigeladenen, die ihre Teilnahme erklärt haben und für die Versicherten, die sich eingeschrieben haben.
Der Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
§ 3
Teilnahmevoraussetzungen und Aufgaben des hausärztlichen Versorgungssektors (koordinierender Vertragsarzt)
( )
(2) Teilnahmeberechtigt für den hausärztlichen Versorgungssektor sind Vertragsärzte (auch diabetologisch verantwortliche Ärzte), die gemäß § 73 SGB V an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen und die Anforderungen an die Strukturqualität nach Anlage 1.1 - Strukturqualität koordinierender Vertragsarzt - erfüllen. ( )
( )
(4) In Ausnahmefällen kann ein Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 einen diabetologisch besonders qualifizierten, an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt auch zu Langzeitbetreuung, Dokumentation und Koordination der weiteren Maßnahmen im strukturierten Behandlungsprogramm wählen, wenn der gewählte Arzt an dem Programm teilnimmt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Patient bereits vor der Einschreibung von diesem Arzt dauerhaft betreut worden ist oder diese Betreuung aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Die Überweisungsregeln nach den Sätzen 2 und 3 sind vom gewählten Arzt zu beachten, wenn seine besondere Qualifikation für eine Behandlung des Patienten aus den dort genannten Überweisungsanlässen gemäß der Ziff. 1.8.1 der Anlage 1 der RSAV nicht ausreicht.
§ 4
Teilnahmevoraussetzungen und Aufgaben des diabetologisch spezialisierten Versorgungssektors
( )
(2) Teilnahmeberechtigt für die diabetologisch spezialisierte Versorgung sind die Vertragsärzte mit der Anerkennung als diabetologisch verantwortlicher Arzt (diabetologische Schwerpunktpraxis), wenn sie die Qualifikationsvoraussetzungen nach Anlage 2 - Strukturqualität diabetologisch spezialisierter Versorgungssektor - erfüllen.
( )
§ 5
Teilnahmeerklärung
Der Vertragsarzt erklärt sich unter Angabe seiner Funktion als koordinierender Vertragsarzt nach § 3 und/oder im diabetologisch spezialisierten Versorgungssektor nach § 4 gegenüber der KVSA schriftlich auf der Teilnahmeerklärung gemäß der Anlage 5 - Teilnahmeerklärung Vertragsarzt - dieses Vertrages zur Teilnahme am Disease-Management-Programm bereit.
§ 6
Überprüfung der Teilnahmevoraussetzungen
Die KVSA prüft die Teilnahmevoraussetzungen entsprechend der jeweiligen Strukturqualität gemäß den §§ 3 und 4 und erteilt den Vertragsärzten die Abrechnungsgenehmigung für die in der Anlage 13 - Vergütung und Abrechnung - genannten Leistungen.
§ 7
Beginn und Ende der Teilnahme
(1) Die Teilnahme des Vertragsarztes am Programm beginnt mit dem Tag der Einschreibung gemäß der Anlage 5 - Teilnahmeerklärung Vertragsarzt -. Die Teilnahme wird schriftlich durch die KVSA bestätigt.
( )"
Nach § 8 des Vertrages erstellt die KVSA über die teilnehmenden und ausgeschiedenen Vertragsärzte gemäß den § 3 und 4 ein Verzeichnis, das sie u. a. der Klägerin und diese der Beklagten zur Verfügung stellt.
Die Anlage 5 des Vertrages enthält einen Vordruck der Teilnahmeerklärung des Vertragsarztes zum Behandlungsprogramm, auf welchem dieser ankreuzen muss, ob er als koordinierender Vertragsarzt ge...