Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Einäugigkeit beim Anspruch auf Erwerbsminderungsrente

 

Orientierungssatz

1. Kann der Versicherte täglich noch sechs Stunden erwerbstätig sein, so ist er weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.

2. Trotz eines noch sechsstündigen Leistungsvermögens besteht Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn der Versicherte wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein kann. Die Einäugigkeit eines Versicherten stellt keine schwere spezifische Leistungseinschränkung dar. Das Restleistungsvermögen reicht u. a. für Bürohilfsarbeiten, leichte Reinigungsarbeiten, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen aus.

3. Ein vor dem 02. 01. 1961 geborener Versicherter, der als Gerätewart versicherungspflichtig beschäftig war, hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, solange er körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten, die kein räumliches Sehen erfordern, wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich regelmäßig verrichten kann.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 03. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Bei dem am ... 1953 geborenen Kläger besteht ein Grad der Behinderung von 30 aufgrund eines im Jahre 1967 erlittenen Unfalls am linken Auge, wodurch er funktionell einäugig ist. Er absolvierte von 1970 bis 1972 eine Lehre zum Instandhaltungsmechaniker in der Spezialisierung "Technologische Ausrüstungen". Die Ausbildung schloss der Kläger mit einem Facharbeiterzeugnis ab. Er arbeitete anschließend bis 1991 im erlernten Beruf. Nach einer kurzen Unterbrechung aufgrund Arbeitslosigkeit absolvierte der Kläger eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Anschließend wurde er in dieser Firma als Lagerarbeiter/Gerätewart bis zum 31. Januar 2000 tätig. Seit dem 01. Februar 2000 ist der Kläger arbeitssuchend. Er bezog bis zum 31. Dezember 2004 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit.

Am 25. Januar 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte beauftragte Dr. N., Facharzt für Augenheilkunde, mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Augenarzt diagnostizierte in seinem Gutachten vom 12. März 2007 nach eigener Untersuchung:

Zustand nach perforierender Bindehaut-, Hornhaut-, Linsenverletzung mit intraocularem Fremdkörper links,

Aphakie (Fehlen der Augenlinse) links,

sekundäre Außenstellung des linken Augapfels,

Amaurose (Erblindung) links,

Hyperopie (Weitsichtigkeit) und Presbyopie (Alterssichtigkeit) rechts,

fehlendes binoculares Sehen,

Vasosclerose (Blutgefäßverhärtung),

Hypertonie (Bluthochdruck) und

Verdacht auf epiretinale Gliose (beginnend).

Der Kläger könne mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten. Tätigkeiten, die Höhentauglichkeit bzw. ein räumliches Sehvermögen erfordern, seien nicht geeignet. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. April 2007 den Antrag ab. Trotz der festgestellten Diagnosen - Zustand nach perforierender Augenverletzung links mit nachfolgender Erblindung links, funktionelle Einäugigkeit - könnten mit dem vorhandenen Leistungsvermögen Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausgeübt werden. Der Kläger sei ebenfalls in der Lage, in seinem bisherigen Beruf als Lagerverwalter mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hiergegen legte der Kläger am 16. Mai 2007 Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2007, zugegangen am 07. Dezember 2007, zurückwies.

Am 07. Januar 2008 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben. Er hat vorgetragen, dass seine Leistungsfähigkeit im Allgemeinen erheblich gesunken sei. Die Funktionstüchtigkeit des rechten Auges habe deutlich nachgelassen. Dies sowie die zunehmenden Kreislaufprobleme seien im Rentenverfahren nicht berücksichtigt worden. Infolge der gesunkenen Leistungsfähigkeit habe er zunehmend psychische Probleme.

Das SG hat Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. E. vom 20. März 2008 und des Facharztes für Augenheilkunde H. vom 27. März 2008 eingeholt. Anschließend hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 03. Februar 2009 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Kläger in der Lage sei, mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Tätigkeiten, die Höhentauglichkeit voraussetzten, täglich sechs Stunden und mehr zu verrichten. Daher bestehe kein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Zugleich habe der Kläger erst Recht keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rent...

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