Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung des Zugangsfaktors wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die mit dem Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand (RuStFöG) vom 23.7.1996 (BGBl I 1996, 1078) geschaffenen Vorschriften, insbesondere die §§ 41 Abs 1 und 237 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst b SBG 6 idF vom 23.7.1996 sind mit dem Grundgesetz vereinbar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Altersrente (wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres), insbesondere um die Frage, ob der Zugangsfaktor 1,0 oder 0,910 beträgt.
Der am ... 1939 geborene Kläger war vom 01. Oktober 1957 an, zuletzt als Walzer bei der A Aluminiumwerk GmbH H bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Halle-Saalkreis vom 15. Februar 1995 wurde über deren Vermögen die Gesamtvollstreckung eröffnet und ein Verwalter bestellt. Der Verwalter führte den Betrieb zunächst fort. Dies war möglich, da ihm ein Massekredit der N/LB bewilligt worden war, für den das Land Sachsen-Anhalt bürgte. Die Bürgschaft war von einer EU-Genehmigung abhängig, die zeitlich begrenzt bis zum 31. Dezember 1995 erteilt wurde. In einer Belegschaftsversammlung am 15. November 1995 erläuterte der Verwalter erstmals die Notwendigkeit der Kündigung von Arbeitsverhältnissen. Im Februar 1996 stand dann fest, dass die EU-Genehmigung nicht verlängert würde, woraufhin die N/LB den Massekredit zum 31. März 1996 kündigte. Ab April 1996 standen damit keinerlei finanzielle Mittel zur Aufrechterhaltung des Betriebes, d.h. auch nicht zur Bezahlung der Löhne der beschäftigten Arbeitnehmer, zur Verfügung. Am 31. Januar 1996 war dem Betriebsrat eine Liste mit zur Kündigung vorgesehenen Arbeitnehmern übergeben worden, auf der auch der Kläger aufgeführt war. Am 15. Februar 1996 hatten der Betriebsrat der Gemeinschuldnerin und der Verwalter einen Interessenausgleich vereinbart. In der Präambel hieß es, der Verwalter werde die Möglichkeit prüfen, die Verhandlungen mit den Kaufinteressenten so zu führen, dass eine Übernahme aller bestehenden Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse nach § 613 a BGB realisiert werden könne. Einigkeit bestehe darüber, dass ein Verkauf der Firma A zunächst mit betriebsbedingten Kündigungen aller derzeit bestehenden Arbeitsverhältnisse verbunden sei. Es sei noch nicht bekannt, mit welchen Arbeitnehmern der Investor beabsichtige, neue Arbeitsverträge zu schließen. Der Verwalter bat den Betriebsrat um Zustimmung zu den beabsichtigen Kündigungen. Dieses Schreiben ging am 07. März 1996 bei dem Betriebsrat ein. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 13. März 1996 der beabsichtigten Kündigung aller bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer unter Hinweis auf die ungeklärte Situation im Hinblick auf eine mögliche Veräußerung des Betriebes. Ab dem 01. April 1996 wurden alle Arbeitnehmer durch den Verwalter von der Erbringung der Arbeit freigestellt. Mit Schreiben vom 18. März 1996 kündigte der Verwalter das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Hinweis auf dringende betriebliche Erfordernisse zum 30. Juni 1996. Im April 1996 erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 24. Oktober 1996 stellte das Arbeitsgericht Halle fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht zum 30. Juni 1996, sondern zum 31. Oktober 1996 aufgelöst worden sei. Seitdem ist der Kläger arbeitslos.
Auf den Rentenantrag des Klägers vom 16. März 1999, ihm zum frühest möglichen Zeitpunkt Altersrente zu gewähren, bewilligte die Beklagte ihm Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres ab dem 01. Juli 1999 in Höhe von 1619, 92 DM netto (Bescheid vom 24. Juni 1999). Ausgehend von 42,3060 Entgeltpunkten (Ost) verminderte sie den Zugangsfaktor von 1,0 um jeweils 0,003 für 30 Kalendermonate vorzeitig in Anspruch genommener Rente wegen Alters und damit um 0,090 auf 0,910. Mit seinem am 01. Juli 1999 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Rentenminderung wegen vorzeitiger Inanspruchnahme sei ungerechtfertigt. Schon vor dem Stichtag am 15. Februar 1996 habe er Kenntnis von der betriebsbedingten Kündigung gehabt, weshalb er Vertrauensschutz genieße. Mit Widerspruchsbescheid vom 07. Oktober 1999 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Nicht ausreichend für die Vertrauensschutzregelung sei die bloße Kenntnis von dem bevorstehenden Ende des Beschäftigungsverhältnisses. Der vorgelegte Arbeitsvertrag enthalte keinen konkreten Zeitpunkt für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. In der Belegschaftsversammlung am 15. November 1995 sei lediglich allgemein auf die Kündigung aller Mitarbeiter hingewiesen worden.
Mit der am 08. November 1999 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und weiterhin die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 2 SGB VI lägen vor.
Das Sozialgericht Halle hat ...