Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahren zur Feststellung der Behinderung nach SGB IX. Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Brustkrebs. Verlust einer Brust. Sekundärleiden. Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparates. Heilungsbewährung. Änderungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Nach Ablauf einer Heilungsbewährungszeit sind nur noch die tatsächlichen Funktionseinschränkungen zu bewerten. Sind diese lediglich geringfügig, kann die Feststellung rechtmäßig sein, dass kein GdB von mindestens 20 mehr gerechtfertigt ist.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Umstritten ist die Entziehung eines Grades der Behinderung (GdB).
Die am ... 1955 geborene Klägerin beantragte am 20. Dezember 2005 die Feststellung von Behinderungen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und die Ausstellung eines Ausweises. Sie gab an, wegen eines bösartigen Tumors sei ihre linke Brustdrüse entfernt worden. Der Beklagte holte von den Asklepios Kliniken W. die Epikrise vom 13. Dezember 2005 über stationäre Aufenthalte der Klägerin vom 9. bis 10. November und vom 13. bis 24. November 2005 ein. Danach war bei ihr ein multizentrisches invasives lobuläres (läppchenförmig) Mammakarzinom links festgestellt und eine Ablatio (Entfernung) Mammae links und eine Axilladissektion (Lymphknotenentfernung) in zwei Ebenen nebst Rekonstruktion der linken Brust durchgeführt worden. Daraufhin stellte der Beklagte nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes mit Bescheid vom 25. Januar 2006 einen GdB von 50 ab 20. Dezember 2005 fest. Er stützte diese Entscheidung auf eine Funktionsbeeinträchtigung infolge des Verlustes der linken Brust im Stadium der Heilungsbewährung nebst Rekonstruktion der linken Brust. Ferner gab er an, dass sich diese Funktionsbeeinträchtigung derzeit noch im Stadium der Heilungsbewährung befinde. Daher werde die Funktionsbeeinträchtigung, obwohl dies durch die derzeitigen tatsächlichen Auswirkungen nicht gerechtfertigt sei, zunächst mit einem höheren GdB als zustehend bewertet. Nach Ablauf der Heilungsbewährung, die im November 2010 ende, werde der GdB überprüft und entsprechend der dann noch verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigung ggf. neu festgestellt. Am 18. November 2010 teilte die Klägerin auf Anforderung des Beklagten die behandelnden Ärzte der letzten zwei Jahre mit. Mit Befundschein vom 16. Dezember 2010 berichtete die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. F., es habe sich bei der letzten gynäkologischen Untersuchung am 29. Juli 2010 kein Hinweis auf ein Rezidiv oder eine Metastasierung gefunden. Die Laborbefunde einschließlich Tumormarker seien im Normbereich, der Allgemeinzustand sei gut, Ausfallerscheinungen bestünden nicht. Nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Februar 2011 zum beabsichtigten Erlass eines Aufhebungsbescheides nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) an, da nach Ablauf der vorgesehenen Zeit der Heilungsbewährung der GdB nur noch nach der tatsächlich bestehenden Beeinträchtigung zu beurteilen sei. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung "Verlust der linken Brust" sei die vorgesehene Zeit der Heilungsbewährung abgelaufen. Insoweit sei eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen eingetreten. Dies habe zur Folge, dass ein GdB von wenigstens 20 nicht mehr vorliege, so dass eine Feststellung von Behinderungen und eines GdB nach § 69 Abs. 1 SGB IX nicht mehr möglich sei. Die verbliebene Gesundheitsstörung "Verlust der linken Brust mit anschließendem Wiederaufbau, Ablauf der Heilungsbewährung" bedinge keinen GdB von wenigstens 20 und stelle somit keine Behinderung dar. Hierzu nahm die Klägerin am 7. März 2001 Stellung und schilderte ihren Tagesablauf. Sie müsse bereits beim Aufstehen einige Minuten auf der Bettkante verweilen, da ihr schwindelig sei. Seit zwei Jahren nehme sie Tabletten für den Blutdruck. Nach dem Frühstück begebe sie sich zur Arbeitsstelle. Es sei ihr nicht immer möglich, dies mit dem Auto zu tun, da sie sich oft nicht in der Lage fühle, Auto zu fahren. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Bus oder Straßenbahn) sei sie länger unterwegs. Als Postbankmitarbeiterin stehe sie täglich 8 bis 9 h am Schalter. Dabei müsse sie auch Pakete bis 31,5 kg entgegennehmen. Wegen ihrer Brustoperation falle es ihr nicht leicht, schwere Pakete zu tragen. Sie habe dann Schmerzen im linken Arm. Deshalb sei sie immer auf die Hilfe ihrer Kollegen angewiesen. Sie sei sehr froh über die zusätzlichen Urlaubstage, weil sie zwischendurch immer eine Pause einlegen könne und andernfalls nicht durchhalten würde. Nach einem Arbeitstag komme sie völlig erschöpft nach Hause. Sie sei dann nicht mehr in der Lage, noch etwas im Haushalt zu erledigen. Die Versorgung übernehme dann ihr Mann. An jedem zweiten Samstag müsse sie arbeiten. Wenn sie dann e...