Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. Promotionsstudent. wissenschaftliche Forschung für die Promotion. Erkundung einer Bergwerksgrube zur Entnahme von Wasserproben für die Doktorarbeit. Sturz in einen Schacht. fehlender organisatorischer Verantwortungsbereich der Hochschule. Kenntnis oder Zurverfügungstellung von Materialien durch die Hochschule nicht ausreichend. keine weitere unfallversicherungsrechtlich geschützte Aus- und Fortbildung nach abgeschlossenem Masterstudium

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch Promotionsstudenten stehen bei Arbeiten für ihre Dissertation nur dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn diese Verrichtung im organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule stattfindet (vgl BSG vom 4.12.2014 - B 2 U 10/13 R = SozR 4-2700 § 2 Nr 32 - "Hochschulmeisterschaften").

2. Ist dies nicht der Fall, kann offenbleiben, ob das Tatbestandmerkmal "während der Aus- und Fortbildung" bei einer Promotionsstudentin erfüllt sein kann.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.06.2023; Aktenzeichen B 2 U 19/21 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Unfalles am 17. Mai 2015 als Arbeitsunfall. Dabei ist vor allem die Reichweite des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung für Studenten streitig.

Die Klägerin war zum Unfallzeitpunkt Promotionsstudentin an dem Institut für Geowissenschaften und Geografie der M.-L.-Universität H./W.. Nach ihrer Immatrikulationsbescheinigung befand sie sich im Sommersemester 2015 im 4. Fachsemester Geografie (16. Hochschulsemester). Als Abschluss wurde eine Promotion genannt.

Thema ihrer Dissertation war die Dokumentation der Veränderungen in der Höhlenbildung insbesondere durch menschlichen Einfluss. In den Vorgaben für ihre Doktorarbeit wird auf die Sulfatkarstsysteme sowohl am Südrand des Harzes als auch entlang der Südabdachung des Kyffhäusers hingewiesen. Weiterhin heißt es: „Durch die Erfassung von Fließwegen und hydrochemischen Variabilitäten im Jahresverlauf ist es weiterhin möglich, die direkten Auswirkungen von unterschiedlichen Niederschlagsraten, besonders hinsichtlich klimatischer Extremereignisse, wie langen Trockenzeiten oder Starkniederschlägen, auf die Höhlensysteme deutlich zu machen. Diese Untersuchungen sollen im Wesentlichen in der Barbarossahöhle, aber auch in der Heimkehle durchgeführt werden.“ Weiterhin sollten auch bisher unbekannte Hohlräume in unmittelbarem Umfeld der Barbarossahöhle erforscht werden. Es existiere die Theorie vom Vorhandensein weiterer wasserdurchflossener Hohlräume im Nordosten und Osten. Betreut wurde die Klägerin bei ihrer Arbeit von Privatdozent Dr. G. (im Weiteren aufgrund der Entwicklung einheitlich: Prof. Dr. G.) und Prof. Dr. M..

Nach einem Durchgangsarztbericht von Dr. R. vom 17. Mai 2015 war die Klägerin bei der Entnahme von Wasserproben ca. 15 Meter tief in einen Schacht gestürzt. Seine Untersuchung ergab einen kompletten Berstungsbruch des Lendenwirbelkörpers 1 mit Verlegung des Spinalkanals. Es bestand eine Querschnittsymptomatik. Gegenüber dem Klinikum B. in H./S. berichtete die Klägerin im Weiteren, die Wasserprobenentnahme sei im Rahmen ihrer Dissertation erfolgt. Sie habe den Entwässerungsfluss bestimmter Gebiete durch Anfärben von Wasser und anschließender Probeentnahme in entfernten Gebieten untersucht, wohin ein Untergrundwasserfluss vermutet werde. Dies sei mit dem Betreuer ihrer Doktorarbeit an der Universität abgesprochen und auch angemeldet worden. Da ihre Begleiter bei der Höhlenerkundung nur am Wochenende Zeit gehabt hätten, hätte sie diese Arbeiten am Wochenende machen müssen.

Der Unfall fand in der Schwerspatgrube K. statt; diese liegt zwischen der N. und der S..

In einem „Kurzprotokoll zur Beratung zum Unfall“ des Institutes für Geowissenschaften und Geografie (Zusammenfassung der Angaben von Prof. Dr. G. und Prof. Dr. M.) lag das Arbeitsgebiet der Klägerin laut ihrem Antrag und Arbeitsablauf im Südharz und im südlichen Kyffhäuser. Der nördliche Kyffhäuser sei weder abgesprochen noch angewiesen worden. Die Befahrung von Alt-Bergwerken sei explizit nie kommuniziert, autorisiert oder gar angewiesen worden. Die Ausweitung des Arbeitsgebietes auf den nördlichen Kyffhäuser sei für den erfolgreichen Fortgang der Dissertation nicht relevant. Am Freitag, dem 15. Mai 2015 habe die Klägerin Behälter für die Wasserprobenentnahme geholt. Weitere Ausführungen zur Probennahme, Lokation und weiteren Umständen seien aus zeitlichen Gründen unterblieben. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin in keinem Dienstverhältnis zur Universität stehe. Dem Vater der Klägerin sei mitgeteilt worden, dass der Besuch des Bergwerkes nicht im Rahmen einer Veranstaltung der Universität und nicht auf ihre Anweisung, sondern in Unkenntnis der Betreuer stattgefunden habe.

Im Weiteren erklärte das Institut für Geowissenschaften und Geografie der M.-L.-Universität ...

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