Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Zweipersonenhaushalt in Wernigerode im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Vergleichsraumbildung. Repräsentativität der Datenerhebung. Gewichtung der erhobenen Daten nach Vermietertypen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach die Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete im Landkreis Harz nach der Mietwerterhebung 2012 in der Fassung der Korrekturberichte vom Februar 2020 sowie Juli 2022 den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept entspricht (vgl LSG Halle vom 15.4.2021 - L 5 AS 391/19 ZVW).

2. Die Unterteilung des Landkreises Harz in drei Vergleichsräume ist nicht zu beanstanden. Insbesondere führt die Vergleichsraumbildung anhand der drei Mittelbereiche im Landkreis Harz nicht zur Gefahr der Gettobildung. Es ist nicht erforderlich, als Kriterium zur Vergleichsraumbildung auf ein ähnliches Mietpreisniveau abzustellen.

 

Orientierungssatz

Die durchgeführte Gewichtung der erhobenen Daten nach Vermietertypen aufgrund von nunmehr angenommenen signifikanten Preisunterschieden bei sog privaten und institutionellen Vermietern ist nicht zu beanstanden.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. April 2021 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtlichen Kosten der Kläger sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Juli 2016 höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form weiterer Kosten für Unterkunft (KdU).

Die ... 1977 geborene Klägerin bewohnte mit ihren beiden Kindern ab dem 1. September 2006 eine 66,93 qm große 3-Raum-Wohnung in Wernigerode. Die Raumbeheizung und die Gebrauchswassererwärmung erfolgten durch Fernwärme. Mietvertraglich vereinbart waren im streitigen Zeitraum eine monatliche Bruttokaltmiete i.H.v. 400 € sowie Vorauszahlungen für Heizkosten i.H.v. 73 €. Ferner war ein Modernisierungszuschlag für Kabelanschluss i.H.v. 10,67 € zu zahlen. Gutschriften bzw. Nachforderungen für die Mietnebenkosten erfolgten in dem streitigen Zeitraum nicht.

Der volljährige Sohn der Klägerin war zum 1. Oktober 2015 ausgezogen. Die Familienkasse Sachsen-Anhalt-Thüringen bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 19. Oktober 2015 das Kindergeld für diesen Sohn weiter. Sie hatte im Weiterzahlungsantrag vom 10. September 2015 angegeben, der Sohn bekomme ab 1. Oktober 2015 das Kindergeld.

Die Klägerin erzielte aus einer abhängigen Beschäftigung ein gleichbleibendes monatliches Bruttoeinkommen i.H.v. 925 €, netto 743,45 €.

Der Beklagte hatte den Klägern mit Änderungsbescheid vom 25. September 2015 für die Zeit ab 1. Oktober 2015 nur noch Leistungen für eine aus zwei Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft bewilligt. Die Miete wurde weiterhin in vollem Umfang übernommen. In dem Bescheid sowie in dem Schreiben vom gleichen Tag waren die Kläger auf die Unangemessenheit der Unterkunftskosten gemäß der Richtlinie hingewiesen worden. Die Heizkosten seien hingegen angemessen. Die Unterkunftskosten seien bis zum 31. März 2016 zu senken und Senkungsbemühungen vorzulegen.

Die Kläger legten am 29. Dezember 2015 ein Schreiben des Vermieters vor, wonach eine Senkung der Betriebskostenabschläge nicht möglich sei.

Der Beklagte bewilligte den Klägern mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. Januar 2016 Leistungen für den Zeitraum von Februar bis März 2016 i.H.v. 527,03 €/Monat und für April bis Juli 2016 i.H.v. 436,03 €/Monat. Dabei wurden den Leistungen ab April 2016 monatlich KdU i.H.v. 309 € und die vollen Heizkosten i.H.v. 73 € zu Grunde gelegt. Für die Klägerin wurde ein Mehrbedarf wegen Alleinerziehung bewilligt. Als Einkommen wurden das bereinigte Einkommen der Klägerin i.H.v. 478,45 € sowie für den Kläger das Kindergeld i.H.v. 190 € berücksichtigt.

In ihrem Überprüfungsantrag vom 15. Juni 2016 machten die Kläger die Übernahme der KdU in voller Höhe geltend. An den Wohnverhältnissen habe sich seit Jahren nichts verändert und die Wohnkosten seien stets angemessen gewesen.

Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 3. Januar 2017 nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ab. Die Feststellung der angemessenen KdU sei nach einem schlüssigen Konzept erfolgt. Wernigerode falle unter den „Wohnungsmarkttyp V“. Die Kläger seien darüber aufgrund der Kostensenkungsaufforderung informiert gewesen. Es habe auch angemessener Wohnraum für die Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung gestanden.

Den dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2017 als unbegründet zurück. Seine Richtlinie beruhe auf dem im Juli 2012 erstellten Konzept. Die danach angemessene Bruttokaltmiete sowie die tatsächlichen Heizkosten seien gewährt worden.

Dagegen haben die Kläger am 2. Mai 2017 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Die Richtlinie des Beklagten beruhe...

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