Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur angemessenen Frist für die Antragstellung nach § 109 SGG

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ein Kläger mit der Übersendung eines von Amts wegen eingeholten Gutachtens gefragt, ob er die Berufung zurücknimmt, beginnt die Frist zur Stellung eines Antrages nach § 109 SGG. Wird die Streitsache vier Monate nach Gutachtenübersendung geladen und geht der vollständige Antrag nach § 109 SGG erst zwei Tage vor dem Verhandlungstermin bei Gericht ein, ohne dass besondere Hinderungsgründe vorgetragen werden, ist der Antrag als grob fahrlässig verspätet gestellt zurückzuweisen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Die am ... 1951 geborene Klägerin absolvierte nach der Schulausbildung von acht Klassen vom 1. September 1966 bis zum Juli 1968 eine Lehre als Wirtschaftsgehilfe. Sie arbeitete zunächst in diesem Beruf, dann bis September 1988 als Botin, Maschinistin, Sachbearbeiterin, Schreibkraft und Produktionsarbeiterin und zuletzt versicherungspflichtig von Oktober 1988 bis Januar 1991 als Melkerin. Von Mai bis September 2001 war sie im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses in einem Montagebetrieb beschäftigt. In den Jahren 1995/1996 und 2000 nahm die Klägerin zwei Mal an der gleichen Umschulungsmaßnahme zur Krankenpflegerin teil. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt aus der ihrem Ehemann gewähren Rente und Arbeitslosengeld II.

Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt worden.

Nach bestandskräftiger Ablehnung ihrer Rentenanträge vom 26. Oktober 2001 und vom 19. Januar 2004 stellte die Klägerin am 26. August 2004 ihren dem Streitverfahren zugrunde liegenden dritten Rentenantrag bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Die Beklagte zog zunächst die Unterlagen aus dem vorangegangenen Verfahren bei. Aus dem Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R., Ärztlicher Gutachterdienst der LVA, vom 11. Januar 2002 geht ein Leistungsvermögen der Klägerin von sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hervor. Aus dem Entlassungsbericht vom 18. November 2003 über die zuvor durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme ergibt sich eine Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichte bis mittelschwere Arbeiten (im Wechselrhythmus, ohne schweres Heben und Tragen, Überkopfarbeiten, gebückte bzw. gehockte Zwangshaltungen) auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden und mehr täglich.

Die LVA holte auf den dritten Rentenantrag zunächst einen Befundbericht von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. T. vom 16. September 2004 ein, aus dem eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin ca. seit März 2004 zu entnehmen ist. Der Facharzt für Orthopädie Dr. F. erstattete ein Gutachten unter dem 14./16. Dezember 2004. Die Klägerin habe bei einem Gewicht von 112 kg bei 1,67 m Körpergröße ein Gangbild auf kurzer Strecke mit Schmerz- und Entlastungshinken gezeigt. Die von ihr beklagten Beschwerden in der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS) seien anamnestisch und radiologisch eindeutig nachvollziehbar und beruhten auf Funktionsbeeinträchtigungen bei Degenerationen und Verspannungen. Unter Zusammenfassung aller Befunde empfehle er die "Erwerbsunfähigkeit" für zunächst ein Jahr. Es bestehe eine erhebliche Beeinträchtigung der Laufbelastbarkeit bei nachvollziehbaren deutlichen Degenerationen im Gelenkkompartiment medial beidseits sowie eine deutliche Retropatellararthrose. Außerdem zeige sich eine erhebliche Funktionsbeeinträchtigung an der linken Schulter ("Frozen shoulder"). Das aktive Heben über 80° sei nicht möglich. Auch die Grifffunktion an der linken Hand sei erheblich reduziert. Es sei u.a. eine erhebliche Gewichtsreduktion erforderlich. Aktuell bestehe kein Leistungsvermögen für eine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Klägerin sei auch nicht in der Lage, die erforderlichen Wegstrecken zur Arbeit zurückzulegen.

Aus dem Entlassungsbericht der M. Klinik K. vom 9. Mai 2005 über die daraufhin vom 5. bis zum 26. April 2005 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme geht eine vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin für leichte bis mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel der Haltungsarten und ohne Zwangshaltungen bzw. ständige Kälte oder Nässe hervor. Es sei eine berufliche Neuorientierung zu empfehlen.

Die LVA lehnte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 31. Mai 2005 ab. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs verwies die Klägerin im Wesentlichen auf die Feststellungen von Dr. F. in seinem Gutachten v...

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