Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Postfacharbeiter. Verweisbarkeit. Einordnung in die Qualifikationsgruppen des Mehrstufenschemas
Leitsatz (amtlich)
Die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung "Postfacharbeiter" führt nicht zur Einordnung in die Gruppe der Facharbeiter nach dem Mehrstufenschema des BSG, wenn keine mehr als zweijährige Anlernzeit bzw betriebliche Ausbildung durchlaufen wurde, um diese Qualifikation zu erlangen, und die tarifvertragliche Einstufung in eine Angelerntengruppe erfolgte.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).
Die am ... 1960 geborene Klägerin durchlief nach ihrer Schulausbildung (10-Klassen-Abschluss) von September 1976 bis Februar 1978 erfolgreich eine Berufsausbildung zur Schuhfacharbeiterin und war zunächst in dem erlernten Beruf tätig. Sie nahm im November 1985 ein Beschäftigungsverhältnis bei der Post als "Mitarbeiter in der vereinigten Zustellung" auf, das schließlich auf die D. Post AG überging. Neben der Beschäftigung nahm sie circa von 1989 bis Mitte 1990 an einer Erwachsenenqualifikation zum Postfacharbeiter - wohl mit einer Schulung von acht Stunden an einem Tag der Woche - teil (Facharbeiterzeugnis vom 5. Juli 1990). In ihrem letzten bis zum 31. Dezember 2003 andauernden Arbeitsverhältnis für diese Arbeitgeberin war sie seit dem 1. Januar 1993 als Briefzustellerin mit dem Fahrrad bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden vollzeitbeschäftigt. Die tarifliche Eingruppierung nach den maßgebenden Tarifverträgen der D. Post bzw. der D. Post AG erfolgte bis zum 17. Mai 1986 in die Lohngruppe 4, dann in die Lohngruppe 5, ab dem 18. November 1989 in die Lohngruppe 6, ab dem 18. November 1993 in die Lohngruppe 6a und zuletzt in die Entgeltgruppe 3 mit Besitzstand der vorausgegangenen Lohngruppe. Die Klägerin bezog ab dem 30. Dezember 2003 bis zur Aussteuerung am 28. September 2004 Krankengeld. Anerkannt wurde ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 30.
Auf den (zweiten) Rentenantrag der Klägerin vom 17. August 2004, den sie mit Somatisierungsstörungen, einem Blasenleiden, einem Fibromyalgie-Syndrom und einer Schilddrüsenerkrankung begründete, zog die Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, zunächst u.a. den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik G. vom 25. August 2003 über die im Juli/August 2003 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme bei. Als Diagnosen sind dort ein Fibromyalgie-Syndrom, ein chronisch-rezidivierendes pseudoradikuläres rechtsbetontes Syndrom der Halswirbelsäule (HWS) und der Lendenwirbelsäule (LWS), eine Somatisierungsstörung und Migräne aufgeführt. Die Klägerin könne als Postfacharbeiterin sowie in leichten bis mittelschweren Tätigkeiten in allen Schichtformen sechs Stunden und mehr täglich arbeiten. Aus einem Bericht von Dipl.-Psych. E. vom 7. November 2003 geht zur Frage der Hirnleistungsfähigkeit der Klägerin hervor, auf Grund einer testpsychologischen Untersuchung habe sich eine prämorbide Intelligenz im Durchschnittsbereich (IQ von 97) mit deutlich verminderten Werten in den Bereichen Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Gedächtnisleistung, Arbeitstempo und Konzentrationsfähigkeit ergeben.
Aus dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren lag eine Arbeitgeberauskunft der D. Post AG von November 2003 vor, aus der sich u.a. eine Vollbeschäftigung der Klägerin als Zustellerin in einer regelmäßig mittelschweren und gelegentlich schweren Tätigkeit seit dem 1. Januar 1993, eine abgeschlossene Lehre im Rahmen der Erwachsenenqualifikation und die obengenannte tarifvertragliche Einstufung ergibt.
Die LVA holte ein Gutachten von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. vom 21. Januar 2005 ein, die feststellte, die Klägerin habe sich in einem guten Allgemein- und leicht adipösen Ernährungszustand befunden und sei kontaktfähig und -bereit, freundlich und zugewandt gewesen. In den ersten Minuten des Kontakts habe sich eine erhebliche Affektlabilität gezeigt; sie habe zugleich lachen und weinen können. Die Stimmungslage sei bedrückt bei verminderter Schwingungsfähigkeit gewesen. Der Gedankengang sei verlangsamt, teils vom Thema abweichend und ausufernd gewesen. Die Persönlichkeit habe als deutlich gestört mit ängstlichen, selbstunsicheren und gehemmten Anteilen imponiert. Die Klägerin neige zu verstärkter Selbstbeobachtung und zur hypochondrischen Beschwerdeverarbeitung; sie habe sich in eine Schonhaltung begeben. Die Merkfähigkeit und Konzentration seien im Gespräch leicht beeinträchtigt gewesen. Bei der Klägerin lägen als Gesundheitsstörungen ein hirnorganisches Psychosyndrom mit deutlicher kognitiver Leistungsminderung unklarer Genese, eine Somatisierungsstörung, eine strukturell gestörte Per...