Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall des Erfordernisses eines Weitergewährungsantrags nach bewilligter Zeitrente bei Durchführung eines Klageverfahrens

 

Orientierungssatz

1. Enthält ein zu einer beantragten Erwerbsminderungsrente ergangener ablehnender Bescheid eine neue Beschwer in der Gestalt der Ablehnung eines Weitergewährungsantrags, so ist vom Versicherungsträger auf den hiergegen eingelegten Widerspruch ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Ein hierzu nicht abgeschlossenes Vorverfahren kann dem Rentenversicherungsträger dann nicht entgegengehalten werden, wenn der Versicherungsträger den zum Weitergewährungsantrag ergangenen ablehnenden Bescheid zum Gegenstand des laufenden Vorverfahrens erklärt hat. Damit hat er deutlich gemacht, dass er auch abschließend über die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente entscheiden wollte.

2. Die Weitergewährung einer befristeten Rente setzt grundsätzlich die Antragstellung i. S. des § 115 Abs. 1 SGB 6 voraus. Bei einem laufenden Gerichtsverfahren über den Rentenanspruch ist ein solcher Antrag immer in dem Fortbetreiben des Verfahrens durch den Versicherten zu sehen. Würde vom Versicherten eine wiederholte Rentenantragstellung während des laufenden gerichtlichen Verfahrens verlangt werden und stellt dieser einen solchen Antrag nicht, so wäre durch die Begrenzung einer rückwirkenden Rentenbewilligung ein mit den Grundsätzen des Rechtsstaatsprinzips nicht zu vereinbarender Nachteil des Versicherten nicht zu vermeiden, vgl. BSG, Urteil vom 14. November 2002 - B 13 RJ 47/01 R.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 19. Oktober 2007 und der Bescheid der Beklagten vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2003 geändert und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. April 2011 bis zum 31. März 2014 zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Die am ... 1959 geborene Klägerin absolvierte nach der Schulausbildung (Zehnte-Klasse-Abschluss) vom 1. September 1975 bis zum 16. Juli 1977 eine Berufsausbildung zum Fahrzeugschlosser (Spezialisierung Berufskraftfahrer). Nach einer Tätigkeit im erlernten Beruf bis August 1978 nahm sie von 1978 bis Februar 1979 (ohne Abschluss) an einer Fachschulausbildung im Bereich Verkehrstechnik teil. Sie war bis Dezember 1995 als Sachbearbeiterin und Kfz-Instandhaltungsmechaniker beschäftigt, dann arbeitslos und ab dem 2. Januar 1996 mit einer Anlernzeit von ca. sechs Monaten als Mitarbeiterin im Recyclinghof/Wägerin versicherungspflichtig beschäftigt. Sie bezog ab dem 14. Mai 2001 Krankengeld.

Auf den Rentenantrag der Klägerin vom 1. März 2002 bewilligte ihr die Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, mit Bescheid vom 20. August 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. November 2001 bis zum 31. Juli 2003. Auf den Weitergewährungsantrag vom 24. April 2003 zog die LVA zunächst die Unterlagen aus dem vorausgegangenen Rentenverfahren bei. Aus dem Entlassungsbericht der Reha Klinik G. über die dort vom 30. August bis zum 27. September 2001 durchgeführte stationäre Rehabilitationskur ist zu entnehmen, die Klägerin sei vollschichtig für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten einsetzbar. Ihre Tätigkeit als Waagearbeiterin in einer Recycling-Anlage erscheine durchaus leidensgerecht. Bei künftigen Tätigkeiten sollten Arbeiten mit ständigem Heben und Tragen schwerer Lasten, häufigem Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, Arbeiten mit einseitigen Belastungen und Zwangshaltungen oder kniende Tätigkeiten vermieden werden. Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 28. Februar 2002 war bei der Untersuchung nicht damit zu rechnen, dass die Klägerin in absehbarer Zeit ihre zuletzt ausgeübte oder eine andere leichte körperliche Tätigkeit für mindestens sechs Stunden täglich wieder würde aufnehmen können. Eine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit liege vor.

Aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Z. vom 27. Februar 2002 geht hervor, die Klägerin habe über Schmerzen im Lendenbereich bei längerem Sitzen bzw. Stehen und rezidivierende Nackenschmerzen geklagt. Die ihr mögliche Laufstrecke betrage höchstens 1.000 Meter. Im Ergebnis der Untersuchung lägen als Diagnosen vor:

Chronische Lumboischialgie bei in der Computertomografie (CT) und der Magnetresonanztomografie (MRT) relevanter Bandscheibenkompression L 5/S 1.

Lumbales Wurzelreizsyndrom.

Rezidivierendes Zervikalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS).

Einlaufendes algogenes Psychosyndrom.

Bei der Klä...

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