Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Festlegung von Vergleichsräumen für den Salzlandkreis. rückwirkende Anwendung eines schlüssigen Konzepts auf Zeiträume vor Datenerhebung. Erkenntnisausfall. Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle plus Zuschlag
Leitsatz (amtlich)
1. Der Salzlandkreis mit einer Fläche von 1.426,76 km² und 203.785 Einwohnern ist kein einheitlicher Vergleichsraum, da er wegen der strukturellen Unterschiede kein "homogener Lebensraum" iS der Rechtsprechung des BSG darstellt.
2. Der Salzlandkreis ist in 13 Vergleichsräume zu unterteilen, die aus den Städten, Gemeinden und Verbandsgemeinden bestehen. Diese bilden jeweils homogene Lebensräume und verfügen jeweils über einen eigenen Wohnungsmarkt.
3. Die Bestimmung einer angemessenen Miete ist nicht durch rückwirkende Anwendung eines schlüssigen Konzepts für Zeiträume vor der Datenerhebung möglich. Eine Rückrechnung nach dem Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte scheidet aus.
4. Soweit auch Ermittlungen des Gerichts nicht zu einer validen Datengrundlage führen, sind die KdU bis zu den Beträgen nach § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlag zu bewilligen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) für die Monate Februar bis Juli 2011.
Die 1964 geborene Klägerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen mit ihrem 1990 geborenen Sohn, dem Kläger, seit 20. Mai 2004 in einer 68,5 qm großen Wohnung im H W 7 in Schönebeck. Dafür waren insgesamt 510,98 EUR/Monat (Kaltmiete: 299 EUR, Betriebskosten: 98,98 EUR, Heizkosten: 113 EUR) zu zahlen. Die Beheizung der Wohnung erfolgte mit einer Gastherme.
Die Bundesagentur für Arbeit Magdeburg hatte der Klägerin mit Bescheid vom 26. Oktober 2010 einen Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit (An- und Verkauf von Kinderbekleidung) in Höhe von 742,50 EUR/Monat für die Monate November 2010 bis Juli 2011 bewilligt. Der Kläger erhielt Arbeitslosengeld I in Höhe von 151,80 EUR/Monat vom 22. Juli 2010 bis 20. Mai 2011.
Die Klägerin unterhielt eine Riester-Rentenversicherung, für die sie 2011 Beiträge in Höhe von 15 EUR zahlte, bevor sie beitragsfrei gestellt wurde. Die Versicherung hatte einen Wert in Höhe von 2.470,59 EUR.
Mit Schreiben vom 19. August 2010 hatte der Beklagte die Kläger darüber belehrt, dass die KdU unangemessen hoch seien. Nach der Richtlinie des örtlichen Trägers der Sozialhilfe seien angemessen eine Kaltmiete von 4 EUR/qm, Heizkosten in Höhe von 1,05 EUR/qm sowie Mietnebenkosten einschließlich Wasser/Abwasser in Höhe von 1,10 EUR/qm. Bis Januar 2011 hatte der Beklagte die den Klägern monatlich tatsächlich entstandenen KdU als Bedarf berücksichtigt.
Unter dem 16. Dezember 2010 stellten die Kläger einen Antrag auf Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen. Mit Bescheid vom 20. Januar 2011 gewährte der Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Monate Februar bis Juli 2011. Die Bewilligung erfolgte wegen noch nicht feststehenden Einkommens der Klägerin und bis zur Erstellung der Betriebs- und Heizkostenabrechnung durch den Vermieter vorläufig. Einkommen der Klägerin aus der selbstständigen Tätigkeit rechnete der Beklagte nicht an. Als Bedarf berücksichtigte er monatlich eine Kaltmiete in Höhe von 240 EUR, Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 66 EUR sowie Heizkosten in Höhe von 113 EUR abzüglich der Kosten der Warmwasserbereitung in Höhe von 11,65 EUR.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger hinsichtlich der Höhe der gewährten KdU unter dem 20. Februar 2011 Widerspruch ein. Die Miete sei in voller Höhe zu übernehmen.
Mit Änderungsbescheid vom 14. April 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Monate Februar bis Juli 2011 wiederum vorläufig höhere SGB II-Leistungen. Die KdU-Bedarfe berücksichtigte er in unveränderter Höhe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß der "Handlungsanweisung des Salzlandkreises zur Angemessenheit der Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des SGB II und SGB XII i. d. F. ab dem 01.07.2010" gelte als angemessen ein Mietpreis von maximal 4 EUR Grundmiete je Quadratmeter Wohnfläche. Zur Grundmiete kämen berücksichtigungsfähige Heiz- und Betriebskosten in Höhe von insgesamt 2,15 EUR je Quadratmeter Wohnfläche hinzu. Als angemessen gälten Betriebskosten in Höhe von 1,10 EUR je Quadratmeter Wohnfläche. Die angemessene Wohnungsgröße für zwei Personen betrage 60 qm. Es ergäbe sich somit eine angemessen...