Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunftskosten. ernsthafte Mietzinsforderungen. Erlöschen des Mietvertrages bei Grundstückserwerb durch einen Ehegatten. Nichtvorliegen eines Leibrentenversprechens. keine Schenkung auf den Todesfall oder unter Auflage
Leitsatz (amtlich)
1. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 sind bei Mietern sämtliche Zahlungsverpflichtungen erfasst, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung über die Unterkunft ergeben, soweit der Leistungsberechtigte einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl BSG vom 23. 5.2013 - B 4 AS 67/12 R = BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, juris RN 17).
2. Für die Wirksamkeit eines Mietvertrages ist es nicht erforderlich, dass der Vermieter auch Eigentümer des Grundstücks ist. Erwirbt der Mieter jedoch nachträglich das Eigentum an der Mietsache, erlischt der Mietvertrag insgesamt, und es besteht keine rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete mehr (vgl BGH vom 9.6.2010 - VIII ZR 189/09 = EBE/BGH 2010, 244, juris RN 18).
3. Dies gilt auch dann, wenn der Mietvertrag von Ehegatten geschlossen wurde und nur einer von ihnen das Eigentum erworben hat. Mit dem Eigentumserwerb eines Ehegatten ist Grundlage der Nutzung der Unterkunft nicht mehr der Mietvertrag, sondern die bestehende eheliche Lebensgemeinschaft nach § 1353 Abs 1 S 1 BGB. Danach sind Ehegatten Mitbesitzer der gemeinsam genutzten Wohnung. Das Recht zum Mitbesitz an der Wohnung ergibt sich aus der Verpflichtung der Ehepartner zur ehelichen Lebensgemeinschaft (vgl BGH vom 13.10.1971 - IV ZR 12/71 = NJW 1972, 44, juris RN 23, 28).
4. Der Leibrente wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag zugeordnet, wenn die an den Voreigentümer erbrachten Rentenzahlungen als Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld anzusehen sind. Daran fehlt es, wenn sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Für die Abgrenzung kommt es darauf an, wie der zugrunde liegende Vertrag ausgestaltet ist und nicht, wie er hätte ausgestaltet werden können. Steht nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung wie bei einem vorbehaltenen Rücktritt des Überlassers im Falle des Zahlungsrückstandes des Übernehmers, handelt es sich nicht um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB. Derartige “Leibrentenzahlungen„ können der Miete nicht gleich gestellt werden, da sie als Kaufpreisteil anzusehen sind und der Finanzierung des Grunderwerbs dienen (vgl BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 78, juris RN 18 f; BGH vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 = WM 1966, 248, juris RN 23; BGH vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 = EBE/BGH 1991, 182, juris RN 2 ff, 5).
5. Zum Nichtvorliegen einer im Rahmen des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigenden "Schenkung auf den Todesfall".
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägern im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis 31. März 2011 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zustehen.
Die am 1973 geborene Klägerin zu 2) ist mit dem 1974 geborenen Kläger zu 1) verheiratet. Beide beziehen mit ihren Kindern, der 1999 geborenen Klägerin zu 3) und dem 2000 geborenen Kläger zu 4), seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie bewohnen ein Eigenheim auf einem im Eigentum der Klägerin zu 2) stehenden Grundstück, welches diese durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 29. November 2004 von dem Verwalter einer LPG in Gesamtvollstreckung zu einem Kaufpreis von 5.000,00 EUR erworben hatte. Das Anwesen war der Klägerin zu 2) am 1. September 2004 zum Besitz übergeben worden. Nach Angaben der Kläger begann der Ausbau des Wohnhauses bereits im Frühjahr 2004. Der Kaufpreis sowie die Kosten der baulichen Maßnahmen waren nach dem Vortrag der Kläger durch die Großmutter des Klägers zu 1), der am 6. Dezember 2011 verstorbenen Frau I. G, aufgebracht worden. Die Eintragung der Klägerin zu 2) als Eigentümerin in das Grundbuch erfolgte am 24. Januar 2006. Eintragungen im Grundbuch zugunsten der Frau G. erfolgten nicht. Bereits am 20. Mai 2004 hatten die Kläger mit Frau G. einen "Mietvertrag" über das Wohnhaus abgeschlossen. In diesem Vertrag war vereinbart worden, dass die Kläger zu 1) und 2) das Objekt als "Mieter" von Frau G. als "Vermieterin" auf unbestimmte Zeit ab dem 1. Juni 2004 anmieten. Als Mietzins war eine monatliche Kaltmiete iHv 280,06 EUR nebst Neben- und Betriebskosten iHv 41,20 EUR bestimmt worden. Die Kosten für Müll, Wasser und Abwasser, Strom, Schornsteinfeger und Heizung sollten von den Mietern aufgebracht werden. Für sämtliche Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, insbesondere die Rückgabe der Miets...