Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. örtliche Zuständigkeit. Leistungen in einer ambulant betreuten Wohnmöglichkeit nach Abbruch einer stationären Langzeittherapie und anschließendem Aufenthalt in einem Frauenhaus. keine geschlossene Einrichtungskette

 

Leitsatz (amtlich)

Bricht eine Hilfeempfängerin eine stationäre Langzeittherapiemaßnahme ab, verlässt die Einrichtung, mietet nachfolgend ein Zimmer in einem Frauenhaus an und lebt dort einige Wochen, bevor sie in eine ambulant betreute Wohnform eintritt, ist der für diese Leistung zuständige Träger derjenige, in dessen Zuständigkeitsbereich sich die Hilfeempfängerin vor dem Eintritt tatsächlich aufgehalten hat.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Aufwendungen des klagenden überörtlichen Sozialhilfeträgers nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) für K. R. (im Weiteren: K.R.) für den Zeitraum ab dem 1. Februar 2011.

Die 1964 geborene (und während des Berufungsverfahrens am 19. November 2016 verstorbene) K.R. ist in einer Familie mit einer nicht ausreichend erziehungskompetenten Mutter und einem alkoholabhängigen Vater aufgewachsen. Sie besuchte die allgemeinbildende Schule bis zur achten Klasse und begann eine Lehre zum Chemie-Facharbeiter, die sie nicht abschloss. Sie wechselte 1985, 1991, 1996 und 2006 den Wohnort und war bis 2009 in S., dort in der Wohnung ihres damaligen Partners, wohnhaft. K.R. arbeitete als Pflegehelferin und als Reinigungskraft und nahm an verschiedenen Umschulungsmaßnahmen teil. Sie war seit 1991 arbeitslos und bestritt ihren Lebensunterhalt vom 1. Januar 2005 bis zum 1. September 2010 aus Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II).

Bei K.R. war seit dem 16. November 2009 ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt.

Ab dem 17. September 2008 nahm K.R. im Fachklinikum U. in ... an ihrer ersten qualifizierten Entgiftung und Langzeitbehandlung für chronisch mehrfach beeinträchtigte Alkoholabhängige ("S4-Behandlung") teil, die sie im November 2008 abbrach. Sie wurde ausweislich des Berichtes der Einrichtung vom 20. Oktober 2008 mit der Empfehlung der Aufnahme in ein Wohnheim entlassen. Vom 11. Juni bis zum 3. September 2009 befand sich K.R. erneut zur stationären Behandlung in dieser Einrichtung. Ihre chronische Alkoholkrankheit hatte bereits im Jahr 2009 zu erheblichen Folgeerkrankungen in Form einer ethanoltoxischen Epilepsie und Polyneuropathie, eines ethanoltoxischen Leberschadens mit Folgen, Unterschenkelödemen und Angstzuständen geführt. Nach der amtsärztlichen Stellungnahme der stellvertretenden Amtsärztin M. vom 24. August 2009 spielten Alkoholsucht und alkoholtrinkende Partner "schon immer eine entscheidende Rolle im Leben" von K.R. Diese habe einen übermäßigen Alkoholgenuss seit 1991 angegeben. Entgiftungen unter stationären Bedingungen seien ein- bis zweimal jährlich erfolgt. Nach der abgebrochenen S4-Behandlung sei eine erneute solche Behandlung ab dem 3. September 2009 vorgesehen. K.R. sei auf Grund ihrer sozialen Inkompetenz bei mangelnder Persönlichkeitsreife nicht in der Lage, ein selbstständiges Leben zu führen, ohne dass ein Alkoholrückfall vorprogrammiert wäre. Sie gehöre zu den wesentlich behinderten Menschen im Sinne des SGB XII mit dem Leitsyndrom der seelischen Behinderung/Sucht. K.R. könne möglicherweise in einer geordneten Umgebung ein unauffälliges Leben führen. Dies könne sie aber nicht, da ihr Umfeld in den letzten Jahren zerstört worden sei und sie Schulden gemacht habe. Dem Gedanken, ihr Leben bei Null neu aufbauen zu müssen, stehe sie hilflos gegenüber. Ihrem Wunsch, zukünftig ein abstinentes Leben zu führen und sich die Voraussetzungen dafür in einer soziotherapeutischen Einrichtung für Suchtkranke zu verschaffen, sollte Rechnung getragen werden.

Ab dem 3. September 2009 befand sich K.R. in der sozialtherapeutischen Nachsorgeeinrichtung für Suchtkranke der W. gGmbH, ... in W./GT M. im Landkreis P.-M. in B. (im Folgenden: W.). Hierbei handelte es sich um einen Aufenthalt rund um die Uhr in einem Doppelzimmer ohne Verfügungsgewalt von K.R. über dieses Zimmer mit voller Verpflegung und einem fortlaufenden Angebot der sozialtherapeutischen Betreuung bei der Lebensführung. Die W. ist eine Übergangseinrichtung, für die als Inhalt und Umfang in den mit dem Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes B. (im Folgenden: LASV) geschlossenen Vereinbarungen geregelt ist, die Leistungen erfolgten "stationär bis 18 Monate je Klient". Folgeschäden des Betreuten sollten nach dem Konzept der Einrichtung nicht so weit fortgeschritten sein, dass eine Unterbringung in einem Dauerwohnheim geboten sei. Die reguläre Aufenthaltsdauer beträgt zwölf Monate und kann ggfs. auf bis zu 18 Monate verlängert werden. Ein tatsächliches regelmäß...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge