Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Vermögensberücksichtigung. Hausgrundstück. Verwertbarkeit. Unmöglichkeit einer sofortigen Verwertung. Leistungserbringung als Darlehen. Prognose für den kommenden Bewilligungszeitraum. Zulässigkeit einer wiederholten Darlehensgewährung. Wohnrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein aufgrund des Ablaufs des sechsmonatigen Bewilligungszeitraums eines Darlehens, in dem die angestrebte Vermögensverwertung nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnte, tritt keine Änderung der rechtlichen Bewertung der vorangegangenen Prognoseentscheidung ein. Es ist weder von einer Unverwertbarkeit des Vermögensgegenstands auszugehen noch ist das ausgereichte Darlehen (automatisch) in einen Zuschuss umzuwandeln.

2. Die Verwertung von Vermögensgegenständen kann sich länger hinziehen als ein konkret bevorstehender sechsmonatiger Bewilligungszeitraum; daher können wiederholt Darlehen gewährt werden. Lediglich die Zeitspanne der erforderlichen Prognoseentscheidung ist auf den anstehenden Bewilligungszeitraum beschränkt.

3. Ein dinglich gesichertes Wohnrecht ist kein rechtliches Verwertungshindernis, wenn es nur eine formale Belastung ist, weil der Berechtigte es nicht ausübt und auch kein Interesse an der Wahrnehmung des Rechts (mehr) hat.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.01.2020; Aktenzeichen B 4 AS 13/20 BH)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger und Berufungskläger begehrt im Überprüfungsverfahren die Umwandlung von darlehensweise gewährten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Zuschussleistungen.

Der 1982 geborene Kläger, der zunächst sein Haus in Z. (Landkreis A.-B.) bewohnte, mietete eine 54 m² große Wohnung in der Stadt D.-R. an (Gesamtmiete: 438,75 EUR) und zog um. Am 1. April 2011 meldete er sich nach D.-R. um und stellte bei dem Beklagten einen Leistungsantrag. Zu seinen Vermögensverhältnissen gab er u.a. an, er sei Eigentümer des 152 m² großen bebauten Grundstücks P ... in Z., das einen Wert von ca. 20.000 EUR habe. Mit notariellem Vertrag vom 22. April 2009 war ihm das Grundstück von seinen Großeltern unentgeltlich im Wege der vorweggenommen Erbfolge zum Alleineigentum übertragen worden. Die Überlassung erfolgte gegen die Einräumung eines lebenslangen mietfreien und nicht übertragbaren Nutzungsrechts zugunsten der Großeltern. Dazu erklärte der Kläger, der Großvater sei inzwischen verstorben und die Großmutter nach D.-R. umgezogen. Das Haus werde nicht bewohnt und sei wegen Schäden an Dach und Heizung sowie statischen Problemen unbewohnbar. Der Kläger bezog bis zum 30. Mai 2011 Arbeitslosengeld I in Höhe von 19,32 EUR täglich.

Bei der Vorsprache am 15. April 2011 beantragte der Kläger die Gewährung eines Darlehens gemäß § 24 Abs. 5 SGB II, da er das Hausgrundstück in Z. trotz Bemühungen noch nicht habe verkaufen können. Das Wohnrecht werde durch die Großmutter nicht geltend gemacht, denn sie wolle nicht in das Haus zurückkehren. Der Kläger legte eine Rechnung über eine am 16./22. November 2010 geschaltete Immobilienanzeige im "B ..." sowie einen Immobilien-Vertriebsauftrag vom 18. Januar 2011 an die Kreissparkasse A.-B. (Laufzeit sechs Monate) vor. Im Vermittlungsvertrag ist eine Kaufpreisvorstellung von ca. 40.000 EUR genannt.

Mit Bescheid vom 21. April 2011 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2011 gemäß § 24 Abs. 5 SGB II-Leistungen als Darlehen in einer Gesamthöhe von 3.762,78 EUR. Zur Begründung führte er im Bescheid aus, der Kläger habe nachgewiesen, dass die sofortige Verwertung seines Vermögens nicht möglich sei, sodass die Voraussetzungen für ein Darlehen vorlägen. Dies werde zinslos gewährt und sei nach Verwertung des Vermögens in einem Betrag zurückzuzahlen. Mit Änderungsbescheid vom 4. Juli 2011 gewährte der Beklagte zusätzlich darlehensweise Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung für April bis September 2011 in Höhe von insgesamt 619,41 EUR. Auch dieser Bescheid enthielt den Hinweis auf die zinslose Gewährung und die Rückzahlbarkeit nach Vermögensverwertung.

Am 20. Juni 2011 beauftragte der Beklagte das Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt (im Weiteren: Landesamt) mit der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens für das Anwesen des Klägers. Am 18. August 2011 fand ein Vororttermin zur Verkehrswertermittlung statt. Die abschließende Sitzung des Gutachterausschusses sei für November 2011 geplant. Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 12. September 2011 habe der Kläger telefonisch gegenüber dem Landesamt erklärt, das Haus sei bereits verkauft. Das Landesamt wies darauf hin, dass sich das Wohnrecht der Großmutter wertmindernd auswirke.

Am 6. September 2011 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag und gab als Änderung in den Vermögensverhältnissen an: "Haus veräußert, nachgereicht wird ...

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