Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Feststellung von Pflegebedürftigkeit. psychiatrische Erkrankung, die das Verlassen des Hauses und den Kontakt zur Umwelt wesentlich beeinträchtigt
Orientierungssatz
1. Nach § 14 SGB 11 sind Personen pflegebedürftig, die wegen gesundheitlich bedingter Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten der Hilfe durch andere bedürfen.
2. Der Pflegegrad wird nach § 15 Abs 1 und 2 SGB 11 nach der Schwere der Beeinträchtigungen in sechs Modulen ermittelt, die den sechs Bereichen in § 14 Abs 2 SGB 11 entsprechen .
3. Bei der Begutachtung werden gemäß § 15 Abs 5 SGB 11 auch Maßnahmen der Behandlungspflege berücksichtigt, wenn dieser Hilfebedarf regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Abs 2 SGB 11 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren Zusammenhang steht.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung von Leistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) nach dem Pflegegrad 1.
Der am ... 1966 geborene Kläger bewohnt alleine ein Einfamilienhaus. Bei ihm ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen "psychischer Gesundheitsstörung, sexueller und sozialer Beeinträchtigung" festgestellt. Er befand sich seit 1991 mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung. Er war ab Februar 2001 arbeitslos und bezieht mittlerweile Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der Kläger beantragte am 19. Mai 2017 Leistungen nach dem SGB XI. Die Beklagte ließ durch die Pflegefachkraft G. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt e.V. (MDK) das Gutachten nach Hausbesuch vom 5. September 2017 erstellen. Der Kläger gab eine schwankende psychische Tagesform an. Er habe Angst, das Haus zu verlassen, und er fühle sich nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder selbst ein Auto zu führen. Er sei ganztägig mit der Hauswirtschaft, der Pflege des Gartens und einer Schildkröte beschäftigt sowie in der Heimatgeschichtsforschung aktiv. Er verlasse die Wohnung eher selten. Nahrungsmittel lasse er sich gegen Bezahlung liefern, der Nachbar fahre ihn auch mal zur Bank. Die Gutachterin beschrieb soziale Isolierungstendenzen; Zukunftsängste/Halluzinationen habe der Kläger verneint. Es gebe keine Vollmachten und kein Betreuungsverhältnis. Er habe einen Hausarzt, gehe aber nicht hin. Als Medikamente nehme er bei Bedarf Aspirin gegen Kopfschmerzen. Das Mitfahren im Auto sei ihm möglich, das Gehen im Außenbereich erfolge selbstständig. Die Gutachterin nannte als pflegebegründende Diagnosen: psychische Gesundheitsstörung, sexuelle und soziale Beeinträchtigung, Anpassungsstörung sowie Probleme in Bezug auf Lebensführung. Sie ermittelte eine Summe von 3,75 gewichteten Punkten (1. Mobilität: 0 Punkte, 2. und 3. kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: 3,75 Punkte (selten auftretende Ängste), 4. Selbstversorgung: 0 Punkte, 5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: 0 Punkte, 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: 0 Punkte). Eine besondere Bedarfskonstellation verneinte die Gutachterin. Sie gelangte zu der Einschätzung, dass kein Pflegegrad vorliege.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 7. September 2017 die Bewilligung von Leistungen der Pflegeversicherung ab, weil eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit mindestens 12,5 Gesamtpunkten nicht vorliege.
In seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei wegen seiner gesundheitlichen und sozialen, psychischen und sexuellen Einschränkungen dauerhaft nicht selbstständig mobil. Aktivitäten außer Haus funktionierten nicht, Sozialkontakte fänden nur fernmündlich statt. Ein Zahnarztbesuch könnte nur mit einem Taxi erfolgen, das er sich nicht leisten könne.
Die Beklagte ließ daraufhin die Pflegefachkraft B. das Gutachten nach Aktenlage vom 8. November 2017 erstatten. Die Gutachterin ermittelte 0 gewichtete Punkte (1. Mobilität: 0 Punkte, 2. und 3. kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: 0 Punkte (keine Angabe von Zukunftsängsten oder Halluzinationen gegenüber der Erstgutachterin), 4. Selbstversorgung: 0 Punkte, 5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: 0 Punkte, 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: 0 Punkte).
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2018 zurück, weil ein Grad der Pflegebedürftigkeit mit 0 bzw. 3,75 gewichteten Gesamtpunkten nicht vorliege.
Dagegen hat der Kläger am 12. Februar 2018 Klage beim Sozialgericht Halle e...